Margenbesteuerung für Reiseleistungen nach § 25 UStG

Schreiben im Namen des Aktionsbündnis Tourismusvielfalt (ATV) zur Margenbesteuerung für Reiseleistungen nach § 25 UStG an die Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen:

Sehr geehrte Frau Prof. Hölscher,

wir, das Aktionsbündnis Tourismusvielfalt (ATV), möchten Ihnen herzlich zu Ihrem neuen Amt als Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen gratulieren und wünschen viel Schaffenskraft für die anspruchsvollen Projekte dieser Legislatur. Mit Ihrer Zuständigkeit für die Steuerabteilung im BMF betreuen Sie einen Themenkomplex, der wesentlich über die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschlands entscheidet.

Mein Name ist Michael Buller, ich bin Vorstand des Verbands Internet Reisevertrieb e.V., einem der Unterzeichner und Sprecher des Aktionsbündnisses Tourismusvielfalt, einem Zusammenschluss aus 28 Verbänden der Tourismusbranche. Ich möchte mit diesem Schreiben stellvertretend für das Aktionsbündnis ein Thema an Sie herantragen, das die deutsche und auch die internationale Tourismusindustrie schon seit über einem Jahr mit großer Sorge erfüllt. Hierbei geht es um die so genannte Margenbesteuerung für Reiseleistungen nach § 25 UStG (vgl. Art. 306 – 310 MwStSystRL „Tour Operators Margin Scheme“, TOMS). Eine Abkehr Deutschlands von dem aktuell auf europäischer Ebene angewandten Verständnis der Margenbesteuerung würde für die Reisebranche eine enorme Herausforderung darstellen, insbesondere die Abkehr von der bisher in der Europäischen Union gängigen Praxis, die Margenbesteuerung auch auf nicht in der EU ansässige Reiseleister ohne EU-Betriebsstätte (Nicht-EU-Reiseleister) anzuwenden.

In der jüngeren Vergangenheit entstand aus dem BMF heraus der Ansatz, Reiseleister, die nicht in der EU ansässig sind, nicht mehr unter die Margenbesteuerung fallen zu lassen. So veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen am 29. Januar 2021 einen Beschluss der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder (III C 2-S 7419/19/10002:004 (DOK 2020/0981332)), in dem festgelegt wurde: „§ 25 UStG ist nicht anzuwenden auf Reiseleistungen von Unternehmen, die in einem Drittland ansässig sind und keine feste Niederlassung in der Europäischen Gemeinschaft haben.“ Nachdem die Tourismusindustrie auf die zu erwartenden massiven Anpassungsprobleme hingewiesen hatte, beschlossen das Bundesfinanzministerium und die obersten Finanzbehörden der Länder schließlich am 29. März 2021 (III C 2-S 7419/19/10002:004 (DOK 2021/0361661)), die Nichtbeanstandungsregelung bis zum 31. Dezember 2021 zu verlängern. Mittlerweile wurde die Nichtbeanstandungsregelung mit Wirkung vom 1. Dezember 2021 (III C 2-S 7419/19/10002:004 (DOK 2021/1207583)) vorläufig bis zum 31. Dezember 2022 verlängert.

Die Argumentation des BMF für eine Abkehr von der Margenbesteuerung für nicht in der EU ansässige Reiseleister beruht insbesondere auf einer Interpretation des EU-Rechts gemäß Artikel 307 Satz 2 MwStSystRL. Ob diese Rechtsauffassung (angesichts des in § 25 Abs. 1 S. 1 UStG formulierten deutschen Gesetzeswortlauts) Bestand hat, ist unserer Auffassung nach fraglich. Untenstehend finden Sie eine ausführliche Erläuterung unserer Rechtsauffassung.

Zweifellos bedarf es einer EU-weiten Reform der seit 1977 bestehenden EU-Margenbesteuerung – wir unterstützen den derzeit laufenden Überprüfungsprozess der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der Europäischen Kommission ausdrücklich. Vor dem Hintergrund eines EU-weit abgestimmten und harmonisierten Mehrwertsteuerregimes ist es jedoch dringend erforderlich, die erfolgreiche Beendigung des Überprüfungsprozesses der EU-Kommission vor einseitigen Anpassungen des §25 UStG oder des UStAE abzuwarten:

  • Die Europäische Kommission erarbeitet gegenwärtig einen Vorschlag zur Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bzw. zum weiteren Umgang mit der Margenbesteuerung innerhalb der Europäischen Union, insbesondere vor dem Hintergrund eines harmonisierten Umsatzsteuerrechts in der EU. Der Vorschlag wird aller Voraussicht nach im Jahr 2023 präsentiert werden. Angesichts dieser Evaluierung ist es jedoch dringend geboten, vor weiteren einseitigen Schritten durch die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission abzuwarten, um ein gegenseitiges Verständnis und eine von allen Mitgliedstaaten getragene Einigung innerhalb der Gemeinschaft sicher zu stellen. Nur so kann eine durch mangelnde Harmonisierung hervorgebrachte doppelte Besteuerung von Reiseleistern oder ein Wettbewerbsnachteil für den Tourismus-Standort Deutschland sicher vermieden werden.
  • In ihrer vorbereitenden Studie zum Thema „Review of the VAT Rules Applicable to the Travel and Tourism Sector“, welche derzeit vom Center for Social and Economic Research (CASE) in Zusammenarbeit mit Oxford Research durchgeführt wird, hat die Europäische Kommission den Ansatz der grundsätzlichen Gleichstellung zwischen EU- und Nicht-EU-Reiseleistern ausdrücklich hervorgehoben.

Angesichts der erheblichen Bedeutung der durch die Corona-Pandemie ohnehin stark unter Druck stehenden Tourismusindustrie in Deutschland, sowie der internationalen Reisebranche generell, befürchten wir dramatische Auswirkungen, wenn durch einseitige Schritte mit einer Änderung des § 25 UStG oder einer Novellierung des UStAE Fakten geschaffen würden, ohne die Erarbeitung des Vorschlags zur Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie durch die Europäische Kommission einzubeziehen, der eine realistische Perspektive eines harmonisierten und zukunftsstarken TOMS Regimes bieten wird. Ein solches Vorgehen wäre rechtlich fragwürdig und zudem gekennzeichnet von erheblichen Rechts- sowie Planungsunsicherheiten für Tourismusunternehmen.

Untenstehend finden Sie eine weiterführende Darstellung der Notwendigkeit der Abstimmung mit dem Überprüfungsprozess der Europäischen Kommission. Wir bitten darum, die nachfolgenden Aspekte und insbesondere den europäischen Kontext in Ihren weiteren Überlegungen zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der bei einer Abschaffung der Margenbesteuerung für Nicht-EU Reiseleister zu erwartenden teils dramatischen finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen nicht nur auf Nicht-EU-Reiseleister sondern auf die gesamte deutsche Tourismusindustrie verweisen wir zudem auf die Darstellung unseres Schreibens vom 12. Mai 2021 (III C 2-S 7419/19/10001:005 (DOK 2020/0981332)).

  • Wie dort ausführlich erläutert, ist bei einer Abschaffung der Margenbesteuerung für nicht in der EU ansässige Reiseleister neben den oben beschriebenen Auswirkungen mit einer deutlichen Reduzierung des Angebotes von Tourismus- und Geschäftsreisen nach und in Deutschland sowie mit einem substantiellen Rückzug aus dem Angebot von Deutschland als Tourismus- und Geschäftsreise-Destination durch Nicht-EU-Reiseveranstalter und mithin mit einem erheblichen Verlust an Steueraufkommen für die öffentliche Hand zu rechnen.
  • Überdies birgt ein solches Ausscheren aus dem etablierten System der EU-Mehrwertsteuerregelungen nicht zuletzt ein schwerwiegendes Maß an Rechtsunsicherheit sowie die Gefahr der Doppelbesteuerung für Unternehmen.

In mehreren Schreiben über das Jahr 2021 verteilt haben verschiedene Verbände der Tourismusbranche versucht, das hochkomplexe Thema der Margenbesteuerung in einem persönlichen Gespräch mit Vertretern Ihres Hauses zu diskutieren, leider bisher ohne Erfolg (siehe u.a. die Schreiben des BVDIU vom 24. Februar 2021, des ATV vom 23. April 2021 sowie des VIR vom 19. März 2021 und 12. Mai 2021). Durch die Verlängerung der Nichtbeanstandung bis Ende 2022 sowie den noch länger laufenden Überprüfungsprozess auf EU-Ebene ergibt sich nun ein Zeitfenster, um erstmals miteinander in einen intensiven persönlichen Austausch und eine konstruktive Diskussion zu treten. Hierfür möchten wir Sie ausdrücklich um ein persönliches Gespräch mit Ihnen und Ihren Fachkollegen bitten.

In der Hoffnung auf eine positive Resonanz verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

stellvertretend für alle Verbände

Michael Buller

Vorstand

Verband Internet Reisevertrieb e.V.

Im Aktionsbündnis Tourismusvielfalt (ATV) haben sich 28 touristische Branchenverbände zusammengeschlossen und vertreten mehr als zehntausend Unternehmen, die für über eine Million Arbeitsplätze verantwortlich sind. Das Aktionsbündnis vereinigt einen umfassenden Querschnitt der deutschen Tourismuslandschaft. Die gemeinsame Zielsetzung ist es, die vielfältige Tourismuslandschaft zu erhalten. Das Aktionsbündnis tritt gemeinsam und mit einer Stimme gegenüber Politik und Öffentlichkeit auf und bündelt die Interessen der Branche. Nähere Informationen finden sich unter www.tourismusvielfalt.de

Über den VIR:

Der Verband Internet Reisevertrieb e.V. (VIR) repräsentiert die digitale Touristik, die laut FUR-Zahlen von 2020 rund 67 Prozent der Urlaubsreisen ab einer Übernachtung mit vorabgebuchten Leistungen ausmacht. Zu den VIR-Mitgliedern gehören mehr als 80 Unternehmen, die in der digitalen Touristik tätig sind. Sie unterteilen sich in die vier Cluster OTA, Supplier & Tour Operator, Service & Travel Technology sowie Start-up. Der VIR fungiert als Ansprechpartner für Verbraucher, Medien, Politik und die Branche selbst bei sämtlichen Themen rund um die digitale Touristik.

VIR-Mitglieder sind: A3M,  ACCON-RVS, act, adigi, AERTicket, Allianz Travel, Amadeus Germany, Backpackertrail, Bewotec, Berge & Meer, BPCS Consulting Services, CamperBoys, Concardis, DER Touristik, DynAmaze, EC Travel, elysium audio solutions, ERGO Reiseversicherung, Europ Assistance, Evaneos, exfinity, expipoint, Expedia Group, faircations, fanz, FerienDiscounter, FLYLA, For You Travel, GIATA, Groupon, GreenTiny Houses, Hamburg Tourismus GmbH, HanseMerkur, heymundo, HolidayCheck, HRS, Invia Group, Involatus Carrier Consulting, journaway, Juvigo, Lambus, LEGOLAND Holidays, Lohospo, Midnight Deal, Midoco GmbH, MOTOURISMO, MyCabin, MYLi, OBS OnlineBuchungsService, Passolution, Payone, PayPal, refundrebel, re:spondelligent, RightNow Group, Sabre, sailwithus, schauinsland-reisen, silverscreentours, sleeperoo, socialbnb, Solamento, Sunny Cars, taa travel agency accounting GmbH, ta.ts, team neusta, tennistraveller, tourboerse, TourOne Systems, traffics, TraSo, Trasty, travelbasys, Travelport, Travivre, TripLegend, TRIP*PERFECT, TUI, TURESPAÑA, Ucandoo, weg.de, Wirelane und Xamine.

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