Gemeinsamer Brief gegen die Selbstbegünstigung von Google in den allgemeinen Suchergebnisseiten

Technologieunternehmen fordern die Kommission zur Durchsetzung ihrer Google Missbrauchsentscheidung von 2017 auf, indem der andauernden Begünstigung eigener Dienste in allgemeinen Suchergebnisseiten endlich ein Ende gesetzt wird 

Sehr geehrte Exekutiv-Vizepräsidentin Vestager, 

Wir, die unterzeichnenden 135 Unternehmen und 30 Industrieverbände, schreiben Ihnen als Vertreter vielfältiger Online-Vermittlungsdiensten aus ganz Europa. Mit unseren Diensten können Verbraucher online die relevantesten Angebote finden und sich über sie informieren. Unsere Dienste bieten zum Beispiel den Zugang zu Produkten, Unterkünften, Reisen oder Stellenangeboten. Als Dienste unterschiedlicher Größe, jeder mit einem bestimmten Schwerpunkt, wollen wir für Verbraucher da sein. Wir möchten es Verbrauchern ermöglichen, Informationen online effizienter zu finden und zu vergleichen. 

Während wir untereinander im Wettbewerb um die beste Nutzererfahrung stehen, gibt es einen gemeinsamen Wettbewerber, der nicht fair konkurriert Google. Wir alle sind starker Konkurrenz durch Google in unseren jeweiligen Märkten für Online-Vermittlungsdienste ausgesetzt. Google ist in jeden dieser Märkte eingetreten, indem das Unternehmen seine unangreifbare Position auf dem Markt der allgemeinen Internetsuche als Hebel missbraucht hat. Auf diese Weise hat Google einen Wettbewerbsvorsprung gewinnen und schnell Marktanteile erlangen können. Obwohl Google in alle diese Märkte erst spät eingetreten ist, hat das Unternehmen dort im Handumdrehen eine starke Position und Reichweite erlangt. Wie kein Dienstanbieter zuvor, hat Google Daten und Inhalte gesammelt, die für den Wettbewerb auf diesen Märkten relevant sind. Geschehen ist dies auf Kosten anderer – auf unsere Kosten. 

Auf keinem dieser Märkte hat Google seine Stellung mit den Mitteln des Leistungswettbewerbs erreicht. Es besteht heute weltweiter Konsens,(1) dass Google sich durch die Begünstigung der eigenen Dienste innerhalb seiner allgemeinen Suchergebnisseiten ungerechtfertigte Vorteile verschafft hat. Diese Begünstigung hat Google durch die Einblendung verschiedener Formen von gruppierten Spezialsuchergebnissen (sog. „OneBoxes“) erreicht. Diese OneBoxes positioniert Google prominent oberhalb aller generischen Suchergebnisse. Konkurrierenden Diensten ist es verwehrt, vergleichbare Boxen zusammenstellen und innerhalb von Googles allgemeinen Suchergebnisseiten anzeigen, obwohl sie relevantere Ergebnisse bereitstellen könnten, als Googles eigener Dienst.(2) Indem Google seine OneBoxes exklusiv für sich nutzt, behält das Unternehmen Nutzer künstlich in seinem Dienst und hält sie von einem Besuch anderer, relevanterer Dienste ab. Die verschiedenen Funktionalitäten der Benutzeroberflächen, die Google direkt in seine allgemeinen Suchergebnisseiten integriert, übernehmen immer mehr von den Funktionen, die unsere Dienste auf unseren Webseiten anbieten. Es war schlimm genug, dass Googles OneBoxes in der Vergangenheit als „Teaser“ dazu dienten, Nutzer auf die Webseiten eigenständiger Google-Dienste umzulenken. Nun erbringen OneBoxes zunehmend diese speziellen Dienste für Verbraucher gleich direkt auf den Ergebnisseiten der allgemeinen Google-Suche, ohne dass Nutzer sie umgehen könnten. Wir stehen nun in direktem Wettbewerb mit solchen Benutzeroberflächen. 

Googles technische Integration eigener Spezialsuchdienste in den Quasi-Monopolsuchdienst stellt weiterhin einen eindeutigen Marktmachtmissbrauch dar. Die Entscheidung der Kommission Google Search (Shopping) vom 27. Juni 2017 hat einen Präzedenzfall dafür geschaffen (bzw. sollte dies tun(3), dass es Google verboten ist, eigene Dienste innerhalb der Suchergebnisseiten seines marktbeherrschenden allgemeinen Suchdienstes zu begünstigen. Bis heute hat die Entscheidung jedoch zu keiner wesentlichen Veränderung geführt. In der Türkei hat die Wettbewerbsbehörde deutlich der Vorstellung widersprochen, dass der „Compliance Mechanismus“, den Google in Europa zur Umsetzung der Shopping-Entscheidung gewählt hat, Wettbewerb wiederherstellen könnte.(4) In Europa hat Google durch diesen Mechanismus auch nach drei Jahren noch nicht die Entscheidung umgesetzt. Dazu müsste Google entweder die Einblendung seiner Boxen einstellen (so wie dies jüngst in der Türkei geschehen ist). Oder Google müsste allen konkurrierenden Diensten erlauben, gleichartige Boxen auszuspielen, wenn Google der Ansicht ist, dass die Nutzer an solchen Boxen interessiert sind.(5) Ebenso wenig hat Google die Begünstigung seiner anderen Spezialsuchdienste beendet. Google hat sogar das gleiche Verhalten auf weitere Märkte erstreckt. Seit Mitte 2017 haben Wettbewerber von Google zahlreiche Beschwerden bei der Kommission eingereicht.(6) Angesichts des anhaltenden Verhaltens warf in der mündlichen Verhandlung des Falls Google Search (Shopping) vor dem Gericht der EU einer der Richter die Frage auf, ob die Entscheidung überhaupt Google hinreichend davon abschrecke, das verbotene Verhalten zu wiederholen.(7) 

Auch wenn eine gezielte Regulierung digitaler Gatekeeper langfristig helfen kann, sollte die Kommission zunächst die vorhandenen Instrumente nutzen, um den Präzedenzfall Shopping durchzusetzen und die Gleichbehandlung innerhalb der allgemeinen Suchergebnisseiten von Google sicherzustellen. Generell begrüßen wir die aktuelle Gesetzesinitiative zur Regulierung marktbeherrschender allgemeiner Suchmaschinen. Wir sehen uns jedoch der unmittelbaren Gefahr ausgesetzt, von Google ersetzt (disintermediiert) zu werden. Viele von uns haben vielleicht nicht die Stärke und die Ressourcen, um zu warten, bis eine solche Regulierung tatsächlich Wirkung entfaltet. Wenn die Kommission in den laufenden Wettbewerbsverfahren das derzeitige Verhalten von Google als „Gleichbehandlung“ akzeptiert, besteht zudem die Gefahr, dass der Inhalt eines künftigen gesetzlichen Verbots der Selbstbegünstigung im Voraus definiert und damit entwertet wird. Wettbewerb und Innovation würden weiter unterdrückt, schlicht weil die notwendigen Maßnahmen gegen Googles wettbewerbswidrige Expansionen nicht jetzt ergriffen werden. 

Handlungsbedarf besteht jetzt. Bleibt es Google bis zum Inkrafttreten einer wirksamen Regulierung weiter erlaubt, seine eigenen Dienste wettbewerbswidrig zu begünstigen, wird es unseren Diensten auch künftig an Nutzertraffic, Daten und Innovationsmöglichkeiten fehlen. Bis dahin befinden wir uns mit unseren eigenen Dienste weiterhin in einem Teufelskreis: Wir gewähren Googles konkurrierenden Diensten Vorteile, während unsere eigenen Dienste auf lange Sicht dadurch überflüssig werden. 

Die unterzeichnenden Unternehmen fordern die Kommission nachdrücklich auf, die Einhaltung der Google Search (Shopping) Entscheidung durch Google durchzusetzen und alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Begünstigung und Bereitstellung anderer Google-Dienste innerhalb der allgemeinen Suchergebnisseiten zu unterbinden. 

Mit freundlichen Grüßen 

(in alphabetischer Reihung) 

  • zu (1): Vgl. U.S. Repräsentantenhaus, Antitrust Unterausschuss, Investigation of Competition in Digital Markets, Oktober 2020, Seiten 177 ff., 381, 395, 397; United States u.a. ./. Google LLC, U.S. District Court for the D.C., Az. 1:20-cv-03010, Klageschrift vom 20. Oktober 2020, Rn. 170, 175.
  • zu (2): In einigen Fällen ermöglicht Google die Teilnahme konkurrierender Dienste durch die kostenpflichtige oder „kostenlose“ Einbeziehung ihrer Inhalte. Dies stellt jedoch keine Gleichbehandlung dar, da nur der Spezialsuchdienst von Google die Suchanfrage abgleicht, d.h. Google, und nicht die teilnehmenden Dienste, entscheiden über die Form der von Google angezeigten, gruppierten Spezialsuchergebnisse. Auch entscheidet Google darüber, mit welchem Inhalt aus seiner eigenen Datenbank diese Boxen auf der Grundlage der eigenen spezialisierten Suchalgorithmen gefüllt werden. Ein solches Matching macht einen Spezialsuchdienst aus. Somit dienen die OneBoxes immer (nur) als Schnittstelle eines Google-eigenen Spezialsuchdienstes, der – ähnlich wie konkurrierende spezialisierte (Meta-)Suchdienste – Inhalte aus einer Vielzahl von Quellen einbeziehen kann.
  • zu (3): Am 27. Juni 2017, erklärten Sie: “And today’s decision is a precedent, which can be used as a framework to analyse the legality of such conduct.” Vgl. STATEMENT/17/1806, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/STATEMENT_17_1806.
  • zu (4): Türkische Wettbewerbsbehörde, 12. Februar 2020, 20-20/119-69, “Die Platzierung von konkurrierenden Preisvergleichsdiensten in [Shopping Units] kann keine Lösung darstellen […]. Während Google die selbst oder von konkurrierenden Preisvergleichsdiensten ausgewählten Angebote vergleichen kann, wenn Wettbewerber an dieser Stelle angezeigt werden, können konkurrierende Preisvergleichsdienste an dieser Stelle nur mit einem oder einer begrenzten Anzahl an Angeboten gelistet werden. […] Es erscheint nicht möglich, die gegenständlichen wettbewerbswidrigen Auswirkungen einfach nur dadurch auszuräumen, indem Wettbewerbern erlaubt wird, an dieser Stelle angezeigt zu werden.“ (übersetzt aus dem Türkischen), Rn. (298), (310); http://www.rekabet.gov.tr/Karar?kararId=828974ff-6cd9-4318-a9fa-ee43a21f9c07.
  • zu (5): Siehe die empirische Studie von Höppner, Google’s (Non-)Compliance with the EU Shopping Decision, September 2020, https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3700748.
  • zu (6): Siehe, z.B., den Brief von 23 Online-Jobsuchdiensten, der an Kommissarin Vestager am 13. August 2019 gesendet wurde, wie unter https://www.reuters.com/article/us-eu-google-antitrust-exclusive/exclusive-googles-jobs-search-draws-antitrust-complaints-from-rivals-idUSKCN1V30IX berichtet, und den Brief von 40 Ferienunterkunftssuchdiensten und Verbänden vom 10. Februar 2020, wie unter https://www.reuters.com/article/us-eu-alphabet-antitrust/googles-holiday-rental-service-under-fire-as-40-rivals-urge-eu-antitrust-action-idUSKBN2041XG berichtet.
  • zu (7): Siehe https://www.politico.eu/article/eu-judge-suggests-google-fine-should-be-higher-european-commission-preferential-treatment/.

Über den VIR:

Der Verband Internet Reisevertrieb e.V. (VIR) repräsentiert die digitale Touristik, die laut FUR-Zahlen von 2019 rund 67 Prozent der Urlaubsreisen ab einer Übernachtung mit vorabgebuchten Leistungen ausmacht. Zu den VIR-Mitgliedern gehören mehr als 90 Unternehmen, die in der digitalen Touristik tätig sind. Sie unterteilen sich in die vier Cluster OTA, Supplier & Tour Operator, Service & Travel Technology sowie Start-up. Der VIR fungiert als Ansprechpartner für Verbraucher, Medien, Politik und die Branche selbst bei sämtlichen Themen rund um die digitale Touristik.

VIR-Mitglieder sind: Acomodeo, adigi, ACCON-RVS, act, AERTicket, Allianz Travel, Amadeus Germany, Amazon Pay, Backpackertrail, Bewotec, Berge & Meer, Bontravo GmbH, BPCS Consulting Services, CamperBoys, DB Vertrieb, DER Touristik, Expedia Group, EC Travel, ERGO Reiseversicherung, Europ Assistance, Evaneos, expipoint, Fair Voyage, FerienDiscounter, FLYLA, Fly Money, For You Travel, FTI Touristik, GIATA, Groupon, Hamburg Tourismus GmbH, HanseMerkur, heymundo, HolidayCheck, HRS, Intent, Invia Group, Involatus Carrier Consulting, journaway, Juvigo, Klarna, LEGOLAND Holidays, List and Ride, mami-poppins, Mamistravelguide, meine-weltkarte.de, Meravando, Midoco GmbH, Motourismo, MYLi, Passolution, PayPal, PCI Proxy, refundrebel, Reise-Rebellen, re:spondelligent, RightNow Group, Sabre, salesforce, schauinsland-reisen, SIX Payment Services, silverscreentours, sleeperoo, Solamento, Sunny Cars, taa travel agency accounting GmbH, ta.ts, team neusta, tennistraveller, traffics, Trasty, travelbasys, Travelport, TripLegend, TRIP*PERFECT, triper one, tripi, TrustYou, TrustYourTrip, TUI, Ucandoo, Unplanned, Urlaubsrente, vawidoo, virtualpro360, Viselio, weg.de, world is a village, Wirecard und Xamine.

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