Off- und Onliner ticken komplett unterschiedlich
In einem Ausschuss, in dem ich vertreten bin, hörte ich neulich einen Vortrag. Darin ging es darum, dass es in den jüngsten Jahren einen deutlichen Rückgang an Auszubildenden in dieser Branche gab und die Nachfrage unter der Anzahl der Lehrstellen lag. Eine Ursache: Immer mehr junge Menschen studieren – der Nachwuchs für die klassische Ausbildung geht zurück.
In der Diskussion danach ging es erstaunlicherweise hauptsächlich darum, wie man den Lehrberuf attraktiver machen kann und neue Wege findet, um neue Auszubildende zu gewinnen. Mir dagegen kam eher der Gedanke, ob man nicht über ein komplett neues Ausbildungssystem nachdenken sollte, um zum Beispiel mit einem dualen Studium – nur eben für alle – mehr Studierende für die Branche zu gewinnen.
Aus dieser Diskussion wurde mir zum ersten Mal klar, wo der wesentliche Unterschied zwischen Off- und Onlinern besteht. Im Offlinebereich hält man an bestehenden Dingen lange fest. Dabei ergreift man Maßnahmen vor allem, um etwas zu erhalten oder zu optimieren. Dazu gehört unter anderem auch die Einbindung von staatlichen Instanzen in Form der Gesetzgebung bis hin zu Subventionen.
Die Vertreter der Digitalbranche trennen sich dagegen viel schneller von Dingen, wenn sie dadurch neue Wege gestalten können. Gibt es Widerstand, hält man nicht allzu lange an Gewohntem fest – ebenso, sobald man merkt, dass man Veränderungen nicht aufhalten kann (What is next?). Nun liegt das natürlich auch daran, dass es zumindest auf den ersten Blick einen Unterschied gibt, ob man ein komplettes Ladengeschäft oder eine Website über Bord wirft.
Ebenso spielt es sicherlich eine Rolle, dass man im Digital-Bereich extrem auf die Performance getrimmt ist. Die muss im Offline-Geschäft ebenfalls stimmen, nur lassen sich Anpassungen als Onliner viel schneller umsetzen – man vergleiche etwa den Einsatz eines A/B-Tests mit der Änderung einer kompletten Ladeneinrichtung.
Ausprobieren ist im digitalen Segment das oberste Gebot
„Ausprobieren“ ist im digitalen Segment das oberste Gebot, weil man ja prinzipiell Neuland betritt – noch dazu mit knappen Ressourcen. Schon alleine aus diesem Grund löst man sich rasch von Dingen, die nicht (gleich) so funktionieren wie gewünscht, um auf die Weise nicht den Anschluss zu verlieren. Das ist sicherlich die Ursache dafür, dass sich eine ausgeprägte Fehlerkultur entwickelt hat. Sie stellt die absolute Basis für Veränderungen dar. Gleichzeitig ist es in einem festen Konstrukt viel schwieriger – erst recht, wenn sie überaus traditionell geprägt ist. „Try and error“ funktioniert eben nur dann, wenn ein Unternehmen Fehler auch zulässt oder sie gar zur eigenen DNA gehören.
An dieser Stelle möchte ich keineswegs werten, welche Einstellung besser ist und ob man sich eher um den Erhalt oder eine Erneuerung kümmern sollte. Aber: Die Taktung ist bei beiden Entscheidungswegen eine komplett unterschiedliche.
Dies bringt uns erneut zum größten Unterschied zwischen on- und offline – nämlich, dass man Themen aus grundlegend verschiedenen Perspektiven angeht. Ich halte dies für den Grund, warum sich eine Verschmelzung beider Kanäle so schwierig darstellt und warum so mancher den Digital-Bereich nicht so ohne weiteres in sein Unternehmen integrieren kann – oder zum Beispiel in eine andere Stadt auslagert, um ja nicht nahe am bestehenden Unternehmen zu sein.
In einem Gespräch, das ich neulich mit einem Chief Digital Officer führte, sprach dieser von einer „verträglichen“ Geschwindigkeit der Digitalisierung für sein Unternehmen. Ich kann verstehen, was er damit meinte, nur: In der digitalen Welt wartet nun einmal niemand, bis alle auf dem gleichen Stand sind.
Natürlich bereitet dies auch der Politik große Kopfschmerzen – nämlich wenn es darum geht, einen Rahmen oder Gesetze zu schaffen, die für beide Seiten gut funktionieren. Während der eine davon ausgeht, dass der Markt bzw. der Nutzer alles regelt, wünscht sich der andere ein klares Regelwerk, in dem sich alle auf gleichem Niveau bewegen.
Wenn jemand scheitert, heißt es: er hat es versucht!
Dies könnte auch der Grund dafür sein, warum sich die Digitalisierung gerade in den USA so schnell entwickelt hat. Dort wird im Vorfeld weniger geregelt, dafür sind die Strafen für falsches Verhalten drankonisch. Bei uns ist das eher umgekehrt: Man regelt lieber alles vorher, bevor möglicherweise etwas passiert. Darüber hinaus lässt sich in den Vereinigten Staaten eine höhere Risikokultur beobachten. Wenn jemand scheitert, heißt es eben „er hat es versucht“. Bei uns wusste dann oftmals eh jeder, dass es nicht klappen konnte.
Vielleicht geben die Onliner ja auch manchmal viel zu schnell bereits bei den ersten Widerständen auf. Umgekehrt könnte der Offline-Vertrieb durchaus offener für komplett neue Lösungen sein. Alles immer gleich über Bord zu werfen halte ich selbstverständlich auch nicht für die richtige Lösung und man sollte auch nicht alles nur aufgrund einer (möglichen) Zukunft opfern.
Beide Herangehensweisen haben im jeweiligen Umfeld ihre absolute Daseins-Berechtigung. Die Frage, wie man beide Philosophien unter einen Hut bringt – sie ist überaus schwer zu beantworten und wird so schnell sicher auch nicht zu lösen sein.
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