Stellungnahme des VIR zur öffentlichen Anhörung „Reisebuchung im Zeitalter des digitalen Wandels“ im Ausschuss für Tourismus des Deutschen Bundestags am 21.02.2024
Der Verband Internet Reisevertrieb (VIR) begrüßt ausdrücklich, dass sich der Tourismusausschuss im Deutschen Bundestag mit der Reisebuchung im Zeitalter des digitalen Wandels in einer öffentlichen Anhörung befasst. Schon heute bieten digitale Prozesse und KI-Anwendungen großes Potential, um Reisevermittler zu entlasten und Reisenden ein angenehmes Reiseerlebnis zu ermöglichen. Digitale Prozesse und KI haben zudem großes Potential, den Arbeits- und Fachkräftemangel in der Branche zu adressieren. Bei der Adressierung dessen ist auch der Punkt Weltoffenheit elementar, um attraktiv für Zuwander:innen und Besucher:innen zu bleiben. Damit digitale Transformation gelingt, ist zudem die Akzeptanzförderung zur Anwendung und Nutzung von digitalen Technologien essenziell. Diese sollte gezielt gefördert werden. Gleichzeitig ist es auch zentral, dass die Politik bei regulatorischen Entwicklungen darauf achtet, digitale Prozesse nicht zu verkomplizieren und Innovation nicht zu hemmen. Dies sollte aktuell insbesondere bei der Umsetzung des AI Acts sowie bei der Überarbeitung der Pauschalreiserichtlinie berücksichtigt werden.
Wir bedanken uns für die Möglichkeit zur Stellungnahme und die Einladung an der öffentlichen Anhörung teilzunehmen. Nachfolgend unsere Einreichung:
Digitale Reisebuchungen zeigen Aufwärtstrend
Für das Jahr 2024 prognostiziert die aktuelle Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub + Reisen (FUR) insgesamt eine Vielzahl an Buchungen. Gut zwei Drittel der Bundesbürger planen der Analyse zufolge eine oder mehrere Urlaubsreisen. Dies ist erstmal grundsätzlich ein positives Signal für den gesamten Reisebuchungssektor. Im Vergleich zwischen Online- Buchungen und Buchungen im persönlichen Gespräch zeigen aktuelle Zahlen der „Daten & Fakten-Studie 2023“ des VIR, dass jedes Jahr mehr Urlaubsreisen per Online-Buchung gebucht werden als im persönlichen Gespräch.
Die Online-Buchung wurde 2022 für die Hälfte aller Urlaubsreisen mit Vorabbuchung genutzt und ist damit der dominierende Buchungsweg für den Reisemarkt. Im Vergleich zum Vorjahr gewann die Online-Buchung um vier Prozentpunkte dazu. Im persönlichen Gespräch wurden 36 Prozent aller vorabgebuchten Urlaubsreisen gebucht. Dieser Anteil ist im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Die Zahlen weisen damit einen deutlichen Aufwärtstrend für digitale Reisebuchungen auf und unterstreichen die Bedeutung der digitalen Transformation im Reisebuchungsprozess.
Vorteile von digitalisierten und speziell KI-unterstützten Prozessen in der Reisebuchung
Digitale Prozesse werden bei der Reisevermittlung und Reisegestaltung bereits seit Langem eingesetzt, um Arbeitsprozesse zu vereinfachen und Verbrauchern ein möglichst angenehmes Reisebuchungserlebnis zu liefern. Auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) findet dabei schon längst Anwendung in der Praxis.
Bereits heute können sich Reisende beispielsweise rund um die Uhr an KI-gesteuerte Reiseagenten auf Reiseanbieterwebseiten wenden, wenn Rückfragen zur Buchung aufkommen, oder unerwartete Reiseänderungen eintreffen. Reisende haben zudem die Möglichkeit sich bei der Reiseplanung während des Buchungsprozesses über Empfehlungen zu Reisezielen, Unterkünften, Fortbewegungsmöglichkeiten, Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten, mithilfe von integrierten KI-Anwendungen, zu informieren und sich so digital Reisen zusammenstellen zu lassen. Mit Hilfe von KI-Analysen erhalten Reisende zudem beim Buchungsprozess personalisierte und relevante Reiseangebote. Die KI-Anwendungen werden zudem stetig weiterentwickelt. Die Produkte des Travel Start-ups Adigi können beispielsweise mit KI Urlaubsanfragen verstehen, interpretieren und mit individuell passenden Reiseangeboten in Echtzeit automatisiert beantworten. Das geht schneller, günstiger und besser als bei herkömmlicher manueller Bearbeitung und ist beliebig skalierbar. Um die Weiterentwicklung von technologischen und speziell KI-unterstützten-Anwendungen im Tourismussektor zu fördern, sollten politische Entscheidungsträger:innen gezielte Forschungs- und Förderinitiativen vorantreiben. So kann die Politik einen aktiven Beitrag leisten, damit neue Geschäftsmodelle in Deutschland entwickelt werden. Dazu sollten auch wichtige bereits bestehende Initiativen wie die KI-Kompetenzzentren ausgebaut und auf den Tourismussektor ausgeweitet werden.
Neben KI hat auch die Blockchain-Technologie das Potential gerade im Tourismussektor die komplexen Prozessketten neu zu strukturieren und zu vereinfachen und damit mühselige Arbeitsabläufe zu optimieren. Beispielsweise könnten Informationen, die heute über Umwege erst spät zum Kunden gelangen, in einer Blockchain auf dem direkten Weg zur Verfügung gestellt werden. Auf dem vom VIR mitorganisierten „DevWeekend“ Ende Januar diesen Jahres, auf dem sich drei Tage lang Vertreter:innen der europäischen Travel Technology Branche zur Blockchain-Technologie und deren Anwendungsmöglichkeiten austauschten, zeigte sich, dass die Blockchain-Technologie bereits aus den Entwicklungsjahren raus ist. Travel Technology Startups wie Chain4Travel zeigen dies eindrucksvoll auf, indem sie bereits ein erstes touristisches Blockchain-Ökosystem anbieten, das für alle nutzbar ist. Es wurde jedoch auch deutlich, dass Deutschland bei der Entwicklung dieser Technologie abgehängt werden könnte. Die Teilnehmer:innen waren sich beispielsweise einig, dass in Deutschland bislang Rechtssicherheit bei der Entwicklung von Blockchain-Anwendungen fehlt und daher aktuell Blockchain- Technologien lieber in innovationsfreundlichen Umgebungen mit einem sicheren rechtlichen Rahmen, wie in der Schweiz, entstehen. Der VIR appelliert daher an die politischen Entscheidungsträger:innen hier nachzuschärfen und einen sicheren rechtlichen Rahmen für Blockchain zu schaffen.
Adressierung des Arbeits- und Fachkräftemangels durch Digitalisierung, KI und Weltoffenheit
Wie bereits deutlich wurde, bringt die Digitalisierung und speziell die Anwendung von KI zahlreiche Vorteile für die Reisevermittler, indem diese durch die Automatisierung und Verbesserung von Prozessen ihre Arbeitsbelastung verringern können. Damit besitzen Digitalisierung und KI auch großes Potenzial, den Mitarbeitermangel der Branche zu adressieren. Der generelle Mangel an Arbeits- und Fachkräften im Tourismussektor ist eine der größten Herausforderungen des Sektors und bereits heute geht wichtige Wertschöpfung verloren, weil viele Aufträge schlichtweg liegen bleiben müssen. Gerade in den aktuellen Zeiten des Arbeitskräftemangels ist es daher unerlässlich, die Möglichkeiten durch Digitalisierung und KI in vielen Bereichen des Unternehmens einzusetzen und weiter voranzutreiben. Sunny Cars hat beispielsweise seit diesem Jahr einen Voice Chat im Einsatz, der die Mitarbeitenden aus dem Call Center bei wiederkehrenden Fragen entlasten soll.
Wichtig ist es dem VIR dabei zu betonen, dass es beim Vorantreiben der digitalen Transformation nicht darum geht, menschliche Arbeitskräfte obsolet zu machen. Vielmehr geht es darum, dass digitale Prozesse Mitarbeiter:innen so entlasten, dass diese mehr Zeit für nicht-automatisierte Arbeitsabläufe haben, wie beispielsweise für Kundengespräche oder die kreative Erstellung von Reisetrips. All das sind im Übrigen Faktoren, die Verbraucher nach wie vor wertschätzen. Laut der ReiseZukunft-Studie gaben beispielsweise 48% aller Befragten an, dass sie bei Rückfragen zu Produkten, Leistungen oder Angeboten von menschlichen Ansprechpartner:innen einer KI vorziehen. Zudem gibt es zahlreiche Arbeitsplätze im Tourismussektor, die nicht digitalisiert werden können, wie beispielsweise den Koch in einem Hotel. Nicht zuletzt müssen am Ende des Tages immer noch Menschen die digitalen Prozesse einrichten, pflegen und prüfen. Das erfordert neue Fertigkeiten, die wiederum neue Arbeitsfelder und Arbeitsplätze schaffen. All das führt dazu, dass sich digitale und analoge Prozesse nicht gegenseitig ausschließen, sondern dass sie eine produktionssteigernde und koexistierende Symbiose ergeben.
Mit Blick auf den Arbeitskräftemangel, aber auch gesamtgesellschaftlich, ist es an dieser Stelle für den VIR zudem elementar zu betonen, dass die Tourismusbranche für Weltoffenheit und interkulturellen Austausch steht. Die Branche steht vor der Herausforderung, der Abwanderung von Arbeitskräften aktiv entgegenzuwirken, sowie neue Arbeitskräfte zu gewinnen. Deutschland muss daher unbedingt attraktiv für Zuwanderung bleiben, denn wir stehen hier im internationalen Wettbewerb. Die Arbeit von Zuwander:innen trägt dazu bei, dass die Tourismusindustrie schon heute und noch mehr in der Zukunft überhaupt funktioniert. Und auch dafür, dass Deutschland für Besucher:innen aus aller Welt ein attraktives Ziel bleibt. Die Unterstützung der Politik gilt dabei als ausschlaggebend, um effektiv Maßnahmen auf den Weg zu bringen, dieses Potenzial schnellstmöglich zu nutzen. Das Aktionsbündnis Tourismusvielfalt (ATV) beschreibt konkrete Maßnahmen, wie dem Arbeits- und Fachkräftemangel politisch entgegengewirkt werden kann. Hierzu zählt beispielsweise eine drastische Vereinfachung des Visaprozesses, einhergehend mit einer Modernisierung des Einwanderungsprozesses und weitgehendem Bürokratieabbau, um Arbeitsgenehmigungen schneller und einfacher vergeben zu können.
Akzeptanz von digitaler Transformation ist essenziell, um Deutschlands digitale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern
Für den VIR ist die Akzeptanz von digitalen Transformationen und neuen Technologien wie KI ein zentraler Punkt, um ihr Potential effektiv nutzen zu können. Hier zeigt sich in Deutschland noch Nachholbedarf. Beispielsweise zeigt das Deutsche Institut für Wirtschaft in einer Studie auf, dass Deutschland bei Online-Buchungen im Vergleich der EU-27 Länder lediglich im Mittelfeld liegt. Auch für das Deutsche Institut für Wirtschaft ist es daher zentral, dass sich Reisende auf die digitalen Möglichkeiten einlassen und deren Vorteile kennen und für sich nutzen.
Mit Blick auf KI geben Ergebnisse der ReiseZukunft-Studie von 2023 Anhaltspunkte, wie die Akzeptanz von Technologien gesteigert werden kann. Die Befragten würden die KI als vertrauenswürdiger erachten, wenn sie vorab über den Einsatz von KI informiert werden würden und entscheiden könnten, wann KI zum Einsatz kommt. Auch angepasste Regelungen und Gesetze, um die KI sicherer zu machen, seien Faktoren für eine vertrauenswürdigere KI. Gleichzeitig zeigt die Studie mit Blick auf die Belegschaft auch, dass KI die Befürchtung des Ersetzens einiger Arbeitsstellen befeuert. Es sei daher ratsam, dass Unternehmen mit ihren Mitarbeitenden geeignete Regelungen im Umgang mit KI entwickeln und transparent kommunizieren.
Auch dem VIR sind all diese Punkte ein zentrales Anliegen und der Austausch mit Reisenden aber auch in den Unternehmen mit den Mitarbeiter:innen ist für den VIR elementar, um die Akzeptanz von digitalen Technologien zu steigern. Nur wenn Reisende und Mitarbeiter:innen die Potenziale anerkennen, kann die digitale Transformation erfolgreich sein. Hierzu ist es wichtig, dass Wissen vermittelt wird und eine entsprechende Kommunikation abläuft. Der VIR versucht hier einen Beitrag zu leisten und wendet sich auch an die Politik, um Dialogplattformen für Unternehmen und Verbraucher:innen zu fördern.
Förderung eines innovationsfreundlichen regulatorischen Rahmens
Um das digitale Potenzial voll entfalten zu können, ist ein regulatorischer Rahmen essenziell, der Innovationen ermöglicht und keine Steine in den Weg legt. Grundsätzlich begrüßt der VIR daher auch viele regulatorische Ansätze, die nun durch den AI Act auf den Weg gebracht werden. Der AI Act liefert den Unternehmen der Branche dringend benötigte Rechtssicherheit. Allerdings stellen sich hinsichtlich der Umsetzung noch einige offene Fragen, die dringend geklärt und europaweit einheitlich Anwendung finden müssen. Insbesondere sollte darauf geachtet werden, dass kleine Unternehmen und Start-ups mit Augenmaß reguliert und nicht mit unverhältnismäßig großen (Markteintritts-)Barrieren belegt werden. Politische Entscheidungsträger:innen sollten sich beim AI Act, aber auch ganz grundsätzlich, für faire regulatorische Wettbewerbsbedingungen einsetzen, damit Deutschland und Europa im globalen Wettbewerb, gegen beispielsweise China, bestehen können. Hier zeigen chinesische Reiseriesen wie Trip.com bereits ein enormes Potential auf, welches Deutschland und Europa schnell ins Hintertreffen bei der Entwicklung von digitalen Technologien und damit perspektivisch auch ins Hintertreffen bei der Verteilung von Marktanteilen geraten kann.
Mit Sorge schaut der VIR daher auf aktuelle Gesetzgebungsverfahren, wie beispielsweise die gegenwärtige Überarbeitung der EU-Pauschalreiserichtlinie. Die Europäische Kommission hat hier leider einen Entwurf vorgelegt, der es Reisebüros und Reiseveranstaltern zukünftig deutlich erschwert, Pauschalreiseprodukte anzubieten. Der Entwurf belegt den Pauschalreisemarkt mit vielen praxisfernen und komplizierten Auflagen, die im Ergebnis zu einer hohen Belastung und Bürokratie führen und damit genau das Gegenteil erreichen, was digitalisierte Prozesse vereinfachen sollten.
Der VIR appelliert daher an den Tourismusausschuss, die breitgetragenen Kernforderungen der Tourismusbranche bei der Überarbeitung der Pauschalreiserichtlinie mit an die Kolleg:innen im Rechtsausschuss, im europäischen Parlament und in den Ministerien heranzutragen. Der VIR steht hier jederzeit gerne für Gespräche bereit.
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