Statement des VIR zum Fachgespräch Neustart des Tourismus im Bundestag

Im Rahmen der Anhörung des Tourismus-Ausschusses im Bundestag waren der VIR und weitere Verbände eingeladen, ihr Statement zum Restart des Tourismus abzugeben. Das Statement des VIR, das vor Ort eingereicht wurde, lautet wie folgt:

Die weltweite Coronapandemie stellt jeden Einzelnen in der Gesellschaft, die Wirtschaft und die Politik vor enorme Herausforderungen. Dabei wachsen die Probleme ähnlich wie bei der Vermehrung des Coronavirus exponentiell mit der Zeit. Nun ist die Tourismusbranche an einem Punkt angelangt, an dem sie auf wichtige Entscheidungen der Politik angewiesen ist, um das Überleben der Branche zu sichern.

Über die vergangenen Monate konnten wir beobachten, dass sich die Einschränkungen der Reisefreiheit und Mobilität, ob nun national oder über Grenzen hinweg, nur als bedingt erfolgreich erwiesen. Vielmehr haben die vielfältigen Maßnahmen, die beschlossen wurden, sogar teilweise zu schweren wirtschaftlichen Schäden in der Tourismusbrache geführt. Während für den nationalen Tourismus jetzt noch die Möglichkeit besteht, durch eine stringente Öffnungsstrategie umzusteuern, ist der internationale Tourismus in einigen Ländern zum Teil schon schwerwiegend in seiner Struktur beschädigt worden. Vor dieser Tatsache darf man bei den Überlegungen zu einem Restart in einer so internationalen Branche wie dem Tourismus nicht die Augen verschließen.

Der Verband Internet Reisevertrieb e.V. (VIR) geht davon aus, dass wir noch jahrelang mit dem Coronavirus werden leben müssen, auch wenn durch die angelaufene Impfkampagne erstmals Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist. Deshalb ist es wichtig, dass die Politik jetzt im Austausch mit allen Vertretern der Tourismusbranche ein ganzheitliches und branchenübergreifendes „Restart-Konzept“ erarbeitet, um den Tourismusunternehmen eine Planbarkeit und ihren ArbeitnehmerInnen eine Perspektive zu geben.

Da ein Restart nicht ohne längerfristige Vorbereitungen erfolgen kann, muss die Politik sofort mit der Branche die notwendigen Schritte vorbereiten. Bund und Länder sind gefordert, ihrer Verantwortung für diesen bedeutenden Wirtschaftszweig nachzukommen und im Dialog mit der Branche für eine sichere und faire Öffnungsstrategie des Tourismus zu sorgen. Der VIR unterstützt hierbei ausdrücklich das Restart-Konzept „Sicheres Reisen im Deutschlandtourismus“ (Stand 02.02.2021) des Deutschen Tourismusverbands e.V. (DTV) sowie das Positionspapier „8 Punkte für einen Restart der Reisewirtschaft“ des Deutschen Reiseverbandes e.V. (DRV). Wir halten die Konzepte für eine gute Grundlage für den Deutschland-Tourismus und nach nochmaliger Anpassung in Teilen auch für den Outbound-Tourismus anwendbar.

Darüber hinaus möchte der VIR den Fokus auf folgende Punkte lenken, die aus unserer Sicht für einen erfolgreichen Restart unumgänglich sind:

  • Der VIR mahnt seit dem ersten Lockdown eine Tourismus-Taskforce aus Politik und Branchenexperten an. Wir sind überzeugt: Mit einem abgestimmten Konzept, das stimmige Quarantäne- sowie Teststrategien beinhaltet, klare Hygiene- und Schutzregeln und eine differenzierte Betrachtung der einzelnen touristischen Segmente enthält, ist sicheres Reisen auch unter den heutigen Umständen wieder möglich. Dies wird auch durch die neueste Studie des Robert-Koch-Instituts vom Februar 2021 bestätigt (Epidemiologisches Bulletin 8/2021 (rki.de)), in der das RKI das mit Reisen verbundene Infektionsgeschehen im vergangenen Sommer unter die Lupe genommen hat – mit einem ermutigenden Ergebnis für die Tourismusbranche. Denn nach der Studie haben Pauschalreisen relativ wenig zur Verbreitung des Coronavirus beigetragen.
  • Die Politik muss sich endlich zur Tourismusbranche bekennen und ein Restart-Konzept mit der Branche erarbeiten. Hierfür reicht der Corona “Check-up” der nationalen Tourismusstrategie aus dem Dezember letzten Jahres nicht aus. Vielmehr muss die Nationale Tourismusstrategie an die jetzige Situation angepasst werden mit einer klaren Perspektive für den Neustart sowie einer klaren Aussage, welche Bereiche, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit im Tourismus und Digitalisierung, besondere Förderung erfahren sollten.
  • Der starre Blick auf den Inzidenzwert macht auf Dauer keinen Sinn. Wir plädieren deshalb für eine deutlich differenziertere und breitere Bewertung des Infektionsgeschehens unter Berücksichtigung des R-Wertes, der zur Verfügung stehenden Anzahl an Intensivbetten sowie der Schwere der Krankheitsverläufe. Nur so kann eine differenzierte Öffnungsstrategie erfolgreich umgesetzt werden.
  • Die Bundesregierung hätte die Corona-Krise deutlich besser nutzen können, um in puncto Digitalisierung voranzukommen. Insbesondere im internationalen Vergleich muss die Tourismusbranche die Corona-bedingt entstandene Lücke wieder schließen. Der VIR schlägt deshalb eine schnelle Lockerung bei den Regelungen für das Kurzarbeitergeld vor:
    Viele touristische Unternehmen müssen seit über einem Jahr mit dem Mittel der Kurzarbeit arbeiten. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als MitarbeiterInnen in der Kurzarbeit zu halten, um die Liquidität im Unternehmen zu sichern. Diese MitarbeiterInnen stehen aber damit den Unternehmen nicht mehr zur Verfügung. Der VIR plädiert deshalb dafür, im Rahmen der Regelung zur Kurzarbeit ein Fortschrittsmodell einzuführen, um dadurch die Weiterentwicklung der Tourismusunternehmen, beispielsweise bei der Digitalisierung oder der Anpassung hin zu resilienten Geschäftsmodellen zu fördern. So sollten MitarbeiterInnen beispielsweise trotz Kurzarbeit auf Digitalisierungsprojekten eingesetzt werden dürfen, gerne auch mit einem ‚Kulanzkonto‘ eines bestimmten Prozentsatzes ihrer angemeldeten Kurzarbeit und einer genauen Arbeitszeiterfassung für diese Projekte. Damit könnte die aktuelle Krisensituation für die Schaffung von zukunftsorientierten Rahmenbedingungen genutzt werden, denn es ist allemal sinnvoller, Geld für Fortschritt als für Stillstand auszugeben. Alternativ könnte man überlegen, ob bei der Überbrückungshilfe III die Lohnkosten abzüglich der Kurzarbeit nicht nur mit einer Pauschale sondern komplett berücksichtigt werden könnten.
  • Ein Restart-Konzept wird auch noch einen weiteren wichtigen Effekt haben, dessen Wirkung nicht unterschätzt werden sollte. Die nun fast einjährige Perspektivlosigkeit bei den ArbeitnehmerInnen der Tourismusbranche führt mittlerweile in einem zunehmenden Maße dazu, dass wichtige Fachkräfte, insbesondere im IT-Bereich, sich in Richtung anderer Branchen orientieren. Der sich aktuell beschleunigende Verlust dieser qualifizierten MitarbeiterInnen wird gerade für viele kleinere Unternehmen in der Tourismusbranche einen Neustart erschweren oder sogar unmöglich machen. Deshalb ist es so wichtig, der Branche und ihren ArbeitnehmerInnen so schnell wie möglich wieder eine Perspektive zu geben
  • Für jeden Restart wird man aber auch einen mehrwöchigen Vorlauf einplanen müssen. Bevor ein Hotel, ein Gastronomiebetrieb oder ein Reiseanbieter wieder wie vor der Pandemie arbeiten kann, müssen alle MitarbeiterInnen und Prozesse wie ein Uhrwerk störungsfrei funktionieren. Um dies zu erreichen, benötigt man Geld, Zeit und Planungssicherheit. MitarbeiterInnen müssen nach teilweise einem Jahr Pause reaktiviert und Waren eingekauft werden, ohne Umsätze dafür generiert zu haben. Deshalb wäre es wichtig, wenn ein umfassendes Restart-Konzept nicht nur die zeitliche Perspektive der Öffnung aufzeigen würde, sondern auch eine zusätzliche „Neustart-Hilfe“ vorsehen würde, um den Unternehmen der Tourismusbranche den Übergang zu erleichtern.

Der VIR wird mit Rat und Tat die Politik bei der Erarbeitung eines Restart-Konzeptes unterstützen. Nur gemeinsam werden wir es schaffen, durch schnelles Handeln weitere Schäden in der Tourismusbranche zu vermeiden.

Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen

Michael Buller

Vorstand Verband Internet Reisevertrieb e.V. (VIR)

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