Nachbesserung an Coronahilfe-Notpaket gefordert: 29 Tourismus-Branchenverbände und Unternehmen wenden sich in gemeinsamer Initiative an Bundeskanzlerin
Die Deutsche Tourismuswirtschaft hat sich in Zusammenhang mit dem am gestrigen Mittwoch verabschiedeten Corona Nothilfeprogramm mit einem energischen Appell an die Bundeskanzlerin, sowie die Bundesministerin für Justiz und Verbrauchschutz, den Bundesminister für Arbeit und Soziales, den Bundesminister für Wirtschaft und Energie und den Bundesfinanzminister gewandt, um für die Branche notwendige Nachbesserungen am Nothilfefonds der Bundesregierung zu fordern.
Die Tourismuswirtschaft begrüßt in dem Schreiben zwar die bisher verabschiedeten Maßnahmen der Bundesregierung. Um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, nach dem auf Grund der Coronakrise nach Möglichkeit keine Unternehmen und Arbeitsplätze verloren gehen sollen, müssen weitere Maßnahmen schnellstmöglich getroffen werden.
In dem Schreiben an die Bundeskanzlerin mahnt die Branche an, dass insbesondere der touristische Mittelstand mit zwischen 11 und 249 Mitarbeitern von keiner der Hilfsmaßnahmen ausgenommen werden darf. Denn gerade diese Unternehmen würden im Nachgang der Krise gebraucht und maßgeblich helfen, schnellstmöglich wieder zum Normalzustand zurückzukehren. Diese „Regelungslücke“ im Nothilfepaket für Unternehmen mit 11 – 249 Arbeitnehmern müsse dringend geschlossen werden, so das gemeinsame Branchenbegehren.
Außerdem müssen Liquiditätshilfemaßnahmen, die mit Hilfe der KFW-Kredite erfolgen sollen, auf eine staatliche Haftungsfreistellung von nahezu 100% gehoben werden. Denn häufig scheitert die Kreditvergabe an schlechten Branchenratings und den unsicheren Fortführungsaussichten der Branche und damit an der mangelnden Bereitschaft der Banken anteilig Kreditrisiken zu übernehmen.
Aufgrund der erheblichen Engpässe in der Bearbeitung der Anträge auf Kurzarbeitergeld und um die Auswirkungen auf die massiv angespannte Liquiditätslage abzumildern, sollten umgehend unbürokratische Abschlagzahlungen schon Ende März/Anfang April geleistet werden.
Letztlich hält es die Branche darüber hinaus für zwingend notwendig, den Barauszahlungsanspruch der Kundengelder bei gebuchten Reisen durch eine Gutscheinlösung oder eine Notfonds-Lösung zu ersetzen, um Liquidität in den durch die Krise angeschlagenen Unternehmen zu halten.
Zu den Veranlassungsgründen:
Es kommt ergänzend hinzu, dass sich die Tourismusbranche in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg befindet, da nunmehr seit mehr als 4 Wochen die schon gebuchten Reisen der Zukunft rückabgewickelt werden. Dazu kommt die Tatsache, dass das Neugeschäft in allen Bereichen der Branche momentan komplett zum Erliegen gekommen ist. Dies wiederum in Verbindung mit der Gegebenheit, dass in der Vergangenheit abgesagte Reisen nicht nachgeholt werden können – wie beispielsweise der Kauf eines Autos – belastet die vielfältige Tourismuswirtschaft, vom Reisebüro, über Reiseveranstalter, Hotellerie, Gastronomie, Veranstaltungszentren und Mobilitätsanbieter wie beispielsweise Busunternehmen oder Airlines im Vergleich zur Gesamtwirtschaft in ungekanntem und unvergleichlichem Ausmaß.
„Ohne die in unserem Schreiben angemahnten Korrekturen drohen zahlreiche touristische Betriebe, insbesondere mit mehr als zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, durch das Raster der staatlichen Hilfsprogramme zu fallen und so kurz- oder mittelfristig von der Bildfläche zu verschwinden“, so Dachverbandspräsident Dr. Michael Frenzel.
Der Brandbrief
Nothilfeprogramm für die Tourismuswirtschaft
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Frau Bundesministerin,
sehr geehrte Herren Bundesminister,
mit großer Sorge betrachten wir die existenzbedrohenden Auswirkungen der Coronakrise auf die Tourismuswirtschaft.
Mit ca. 3 Millionen Beschäftigten leistet unsere Branche einen erheblichen Beitrag zur Wertschöpfung in Deutschland. Infolge der weltweiten Reisewarnungen verzeichnet die Tourismuswirtschaft aktuell einen nahezu völligen Stillstand.
Wir begrüßen die bisher verabschiedeten Maßnahmen der Bundesregierung. Um die Zielsetzung der Bundesregierung, dass auf Grund der Coronakrise nach Möglichkeit keine Unternehmen und Arbeitsplätze verloren gehen sollen zu erreichen, sind aus Sicht der Tourismuswirtschaft aber dringend Ergänzungen bzw. Änderungen an den vorgesehenen Maßnahmepaketen vorzunehmen. Weite Bereiche der Tourismuswirtschaft werden durch die Programme nicht abgedeckt. Es droht damit eine Insolvenzwelle und Arbeitslosigkeit in nichtgekanntem Ausmaß.
Gestatten Sie uns, Ihre Aufmerksamkeit auf folgende besonders dringliche Aspekte zu lenken:
1. Die verabschiedeten Direkthilfeprogramme für Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständige sowie der Wirtschaftsstabilisierungsfonds greifen angesichts der vergebenen Zuteilungskriterien für maßgebliche Bereiche der Tourismuswirtschaft nicht. Diese „Regelungslücke“ für Unternehmen mit 11 – 249 Arbeitnehmern muss dringend geschlossen werden.
2. Die Liquiditätshilfemaßnahmen, die mit Hilfe der KFW-Kredite erfolgen sollen, scheitern häufig auf Grund des schlechten Branchenratings und der unsicheren Fortführungsaussichten der Branche, an der mangelnden Bereitschaft der Banken ihrerseits anteilig Kreditrisiken zu übernehmen. Eine staatliche Haftungsfreistellung von nahezu 100% und die Aussetzung der bankenaufsichtsrechtlichen Regeln Basel I – III müssten befristet umgesetzt werden.
Um den für die Reisebranche wichtigen Flughäfen grundsätzlich Zugang zu den KfW-Sonderprogrammen zu ermöglichen, muss die Beschränkung auf Unternehmen in mehrheitlich privatem Besitz gestrichen werden oder eine Sonderbestimmung gefunden werden.
Zudem empfehlen wir in Anbetracht der sich abzeichnenden erheblichen administrativen Probleme bei der Antragsprüfung ein digitalisiertes Bewilligungsverfahren, das eine schnelle und unkomplizierte Bearbeitung ermöglicht.
3. Schon jetzt sind erhebliche Engpässe in der Bearbeitung der Anträge auf Kurzarbeitergeld zu verzeichnen. Um die Auswirkungen auf die massiv angespannte Liquiditätslage, insbesondere der gastgewerblichen Unternehmen zu begrenzen sollten umgehend unbürokratische Abschlagzahlungen schon Ende März/Anfang April geleistet werden. Das wäre ein effektiver Beitrag zur Schadensbegrenzung. Eine Einbeziehung der Auszubildenden in das Kurzarbeitergeld vom ersten Tag an sollte schnell und pragmatisch ermöglicht werden. Auch angesichts des erheblichen kurzfristigen Arbeitskräftebedarfs anderer Branchen, wie z.B. dem Einzelhandel und der Landwirtschaft, sollte unseren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine anrechnungsfreie Nebentätigkeit trotz Kurzarbeitergeldbezug pauschal zwecks Nothilfe gestattet werden.
4. Die aktuellen Reiseverbote führen bei den deutschen Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften bis Ende April zur Stornierung von Reisen in Höhe von ca. 6,0 Mrd. Euro. Die Anzahlungen der Kunden in Höhe von ca. 4,5 Mrd. Euro auf diese Reisen müssen nach §651h.Abs 5 BGB innerhalb von spätestens 14 Tagen erstattet werden. Einen Großteil dieser Gelder (über 80%) hat der Veranstalter aber bereits an seine Leistungsträger (Fluggesellschaften, Reedereien, Hotels usw.) gezahlt.
Der Barauszahlungsanspruch der Kundengelder muss sofort durch eine Gutscheinlösung analog den Beispielen im europäischen Ausland oder durch eine Notfonds-Lösung ersetzt werden; anderenfalls droht eine massive Insolvenzwelle im Reisebüro- und Reiseveranstalterbereich sowie im Airline-Sektor. Millionen von Kunden würden am Ende leer ausgehen, da die Insolvenzsicherungslösung auf einen Betrag von 110 Mio. € begrenzt ist.
Wir bitten Sie dringend um Nachbesserung bzw. Ergänzung der Maßnahmenpakete in den angesprochenen Punkten.
Hochachtungsvoll,
Duncan O’Rourke
Chief Operating Officer Central Europe Accor und
Vorsitzender der Geschäftsführung AccorHotels Deutschland GmbH
Ralph Beisel
Hauptgeschäftsführer
Hansjörg Kunze
Vice President Communication & Sustainability
Florian Storp
General Manager
Jochen Szech
Präsident
Barbara Radomski
Geschäftsführung
Dr. Michael Engel
Geschäftsführer
Matthias von Randow
Hauptgeschäftsführer
Michael Rabe
Generalsekretär
Dr. Michael Frenzel
Präsident
Dr. Gunter Riechey
Präsident
Daniel Onggowinarso
Geschäftsführer
Guido Zöllick
Präsident
Thomas Willms
Vorstand
Aye Helsig
Vorsitzender
Dirk Inger
Hauptgeschäftsführer
Norbert Fiebig
Präsident
Thomas Schnalke
Sprecher der Geschäftsführung
Petra Hedorfer
Vorsitzende des Vorstands
Ilona Jarabek
Präsidentin
Heinz Bauermeister
Geschäftsführer
Otto Lindner
Vorsitzender
Michael Hoffmann
Geschäftsführer
Wolfgang Kiessling
Präsident
Dr. Monika Gommolla
Vorsitzende des Aufsichtsrates
Oswald Pehel
Geschäftsführer
Klaus Stöttner
Präsident
Thomas Bösl
Geschäftsführer
Jürgen Gevers
Geschäftsführer
Friedhelm Freiherr von Landsberg-Velen
Präsident
Michael Buller
Vorstand
Burkhard Kieker
Geschäftsführer
Über den VIR:
Der Verband Internet Reisevertrieb e.V. (VIR) repräsentiert die digitale Touristik, die laut FUR-Zahlen von 2018 rund 65 Prozent der Urlaubsreisen ab einer Übernachtung mit vorabgebuchten Leistungen ausmacht. Zu den VIR-Mitgliedern gehören mehr als 90 Unternehmen, die in der digitalen Touristik tätig sind. Sie unterteilen sich in die vier Cluster OTA, Supplier & Tour Operator, Service & Travel Technology sowie Start-up. Der VIR fungiert als Ansprechpartner für Verbraucher, Medien, Politik und die Branche selbst bei sämtlichen Themen rund um die digitale Touristik.
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