Was macht eigentlich ...

… das Travel Start-up act?

Ein Interview mit Torsten Schäfer (Gründer von act)

Torsten Schäfer, Gründer von act

Torsten Schäfer – Gründer von act

Könnt ihr euer Start-up in einem Satz beschreiben?

act hat mit der App „factcollect“ ein Selbsterfassungs-Tool zur standardisierten Erhebung der Barrierefreiheit von Unterkünften entwickelt. Damit gesammelte Accessibility-Daten dienen dazu, präzise, entscheidungsrelevante Detailinformationen für Reisende mit Mobilitätseinschränkung an den verschiedenen Points of Sale der Touristik zur Verfügung zu stellen.

Was zeichnet act eurer Meinung nach aus und hebt euch vom Wettbewerb ab?

Unsere Wettbewerber bieten externe, (nationale) Zertifizierungen von Unterkünften mit barrierefreier Ausstattung und deren Darstellung/Vermarktung auf speziellen Online-Plattformen an. Wir kennen die Hürden für Reisende mit Mobilitätseinschränkung aus x-facher persönlicher Erfahrung und halten dieses Konzept nicht geeignet zur Schaffung einer nachhaltigen Lösung, von der Anbieter und Nachfrager profitieren.
act grenzt sich bewusst von bewertenden Barrierefreiheits-Zertifikaten und Angebotsauslagerungen in Parallelwelten für Menschen mit Behinderung ab, denn das ist weder inklusiv, noch entspricht es den Wünschen und dem Reise-Suchverhalten der Konsumenten mit Access needs in Zeiten des demografischen Wandels.
Unsere Strategie ist dagegen an den Markt- und IT-Strukturen der internationalen Travel Industry ausgerichtet und implementiert zudem diverse gesetzliche Vorgaben. Sie ist die Einzige, die die verschiedenen Mainstream Distributionskanäle und PoS einbezieht. Unser Angebot fokussiert sich auf die Schaffung von konsistentem, digitalem Accessibility-Content der einen Mehrwert für Leistungsträger und Endkunden bietet, indem veraltete manuelle Buchungsprozesse automatisiert werden.

Bei welcher Gelegenheit kam die Unternehmensidee?

Seit ich vom Fußgänger zum Rollstuhlfahrer wurde, ärgere ich mich bei jeder eigenen Reiseplanung über fehlende Informationen zur Barrierefreiheit von Hotels und Services, die man dann mühsam selbst zusammensuchen muss. In der umständlichen und langwierigen „auf Anfrage“-Kommunikationskette sind – vor allem im Ausland – Missverständnisse und Fehler vorprogrammiert. Diese führen bei der Anreise und im Hotel oft zu Stress, bis hin zu Unterkunftswechsel wegen fehlender (zuvor zugesicherter) Rollstuhltauglichkeit. Post Covid verschärfen gekappte direkte Kommunikationskanäle zu Leistungsträgern, Personalmangel, fehlendes Know-how und nicht zu Ende gedachte Automatisierungsprozesse den Handlungsbedarf.

Was war der beste Ratschlag, den ihr fürs Gründen bekommen habt?

Nur wer für seine Idee brennt ist authentisch und kann andere davon überzeugen. Gleichzeitig gilt es zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Wenn der Markt noch nicht reif dafür ist, hat es auch die innovativste Geschäftsidee schwer. Dann benötigen Gründer Geduld und langen Atem. Basis-Arbeiten können sehr lange dauern, insbesondere wenn man auf das Zusammenspiel mit anderen Akteuren angewiesen ist.
Unterschätze nicht die Beziehung zwischen Zeit und Komplexität. Mit zunehmender Komplexität einer Aufgabe oder eines Projekts steigt der Zeitaufwand für die Erledigung.

Was war bisher euer größtes Erfolgserlebnis und was die größte Herausforderung?

factcollect App

Die Akzeptanz unseres Datenerfassungsprototyps in den „Test-Hotels“ in Verbindung mit überzeugenden UX-Testergebnissen des führenden User Experience-Dienstleisters waren ein wichtiger Meilenstein, um eine erfahrene IT-Schmiede als Partner für die Realisierung der App „factcollect“ zu gewinnen.
Der Corona Shutdown der Hotellerie mit wirtschaftlichen Schäden und z. T. noch andauernder Neuausrichtung hat uns stark zurück geworfen. Darüber hinaus sind wir mit mehreren strukturellen Herausforderungen konfrontiert: einerseits mit der Komplexität der Reisebranche mit ebensolchen IT-Verflechtungen, andererseits mit dem stark fragmentierten Hotelmarkt mit schwer durchschaubaren Aufspaltungen in Eigentümer, Betreiber, Franchisenehmer und Marketingkooperationen, die es erschweren, die richtigen Adressaten für eine verbesserte Accessibility-Kommunikation und den Einsatz von „factcollect“ zu finden – siehe Zeitfaktor!
Das Angebot von act kommt dem Wunsch der Hospitality nach Personal-Entlastung und Automatisierung ideal entgegen. Gleichzeitig erleben wir Verharren in alten Denkmustern, und geringe Handlungsmotivation in vermeintlich „untergeordneten“ Themenfeldern.
Zudem teilen wir die Erfahrung führender Content-Dienstleister, dass es vielfach an Bewusstsein für den Stellenwert von präzisen, relevanten Inhalten fehlt. Unter diesen Umständen ist es schwierig eine effiziente Branchenlösung voranzutreiben.

Was sind eure Pläne für die nächsten Monate?

Verstärkter Know-how Transfer.

Sustainability spielt in der Touristik eine zunehmend wichtige Rolle. Das physische und kommunikative Barrierefreiheit feste Bestandteile davon sind, haben die meisten Unternehmen noch nicht verinnerlicht. Der bestehende Mangel an transparenten Informationen hindert Verbraucher mit Beeinträchtigungen daran, fundierte Auswahlentscheidungen für ihre Reiseziele zu treffen. (Nachteil gegenüber anderen Kunden). Hier werden wir verstärkt Bewusstseinsbildung betreiben.
act bietet den Akteuren Unterstützung im Umgang mit den Accessibility-spezifischen Anforderungen von CSRD, Lieferketten- und Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Wir liefern das Fachwissen zu notwendigen Grundlagen und Anpassungen plus wertvolle Insights aus Nutzerperspektive.

Website des Start-ups act

Website des Start-ups act


Angenommen ihr bekommt eine Finanzierung in Höhe von 500.000 Euro. Was würdet ihr mit dem Geld machen?

Wir würden einen Akquisespezialisten an unsere Seite holen und ins Marketing investieren. Eine große „Accessibility matters“ Kampagne wäre auch eine gute Maßnahme – vielleicht gibt es dafür motivierte Mitstreiter im VIR Umfeld…

Wo seht ihr noch Innovationspotenzial in der Touristik?

Gegenfrage: Was bedeutet eigentlich „Innovation“?
Definition aus dem Gabler Wirtschaftslexikon: „Bezeichnung für die mit technischem, sozialem und wirtschaftlichem Wandel einhergehenden (komplexen) Neuerungen.
Das bringt den Status Quo auf den Punkt.

Individualisierung, Kundenzentrierung, UX

act sieht viel Potential in „Individualisierungen entlang der Customer Journey“.
Mit Blick von außen fällt ein großes Wissens- und Mindset-Gefälle innerhalb der Touristik auf. Verschiedene Spezialisten führen anspruchsvolle Diskussionsrunden über Blockchain, Generative KI u.ä.. Gleichzeitig fehlt es an der – letztlich systemrelevanten – Basis vielfach noch an Basics wie grundlegenden Homepage-Inhalten, zeitgemäßer UX und Kundenservice.

Datenerfassung mit factcollect

Datenerfassung mit factcollect

Solange hier kein digitaler Fortschritt stattfindet, fallen speziellere Themen im Bereich Individualisierung und Automatisierung durchs Einheits-Raster, weil dafür keine brauchbare Datenbasis existiert.
Automatisierte Kundenservice-Plattformen von Airlines oder Reiseanbietern sollen Personalressourcen einsparen und einfachen 24/7 Selfservice für Kunden bieten. Reisende, die dort eine „Nicht Standard“-Leistung buchen möchten, werden allerdings in den Wahnsinn getrieben, weil diese in der Programmierung nicht berücksichtigt wurde. Ihre manuelle Eingabe durch Servicemitarbeiter ist wiederum systemtechnisch nicht erlaubt oder nur umständlich durchführbar. Folge: Mehraufwand plus Stress für alle Beteiligten!
Innovation heißt nicht nur neue Technologie nutzen, sondern auch Kundenprobleme lösen.
Prozesse in der Planung auch vom Kunden her denken und Vertreter mit Praxiserfahrung einbeziehen. Dann gelingen menschzentrierte Lösungen für alle Anforderungen, die zusätzlichen Umsatz generieren.

DESIGN FOR ALL – das prädestinierte Innovations-Rezept für alle touristischen Touchpoints.

Welche Tipps würdet ihr anderen Gründern mit auf den Weg geben?

Habt in der Anfangsphase keine übermäßige Sorge um den Schutz Eurer Geschäftsidee. Wichtiger: Kontakt zu Branchen-Insidern, Kundenzielgruppe, Gründerzentren usw., um Input aus verschiedensten Richtungen zu bekommen. Testet Eure Produkthypothesen, seid bereit Euch anzupassen, denn Flexibilität ist auf dem unternehmerischen Langstrecken-Lauf unerlässlich. Testläufe mit einem halbfertigen „Produkt“ starten und User-Meinungen einholen, um frühzeitig Stärken und Schwächen zu erkennen. Bleibt auf der Strecke hartnäckig und Eurer Vision verpflichtet!
Der VIR ist auf allen Etappen ein empfehlenswerter Unterstützer.

Team act

Das Team des Start-ups act

Kontaktdaten

act – accessibility concepts in tourism

Nußdorfer Str. 13

83026 Rosenheim

Websites: www.act-consulting.eu, www.factcollect.eu

E-Mail: office@act-consulting.eu

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