Verbändeschreiben zur Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes

Derzeit finden die Beratungen zwischen Bund und Ländern zum Infektionsschutzgesetz und weiteren Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ab Herbst 2022 statt. In Kürze sollen der Deutsche Bundestag und der Bundesrat sie beraten. Aus diesem Grund verfasste der Zusammenschluss aus den touristischen Verbänden ASR, BTW, DEHOGA, DRV, DTV, IHA, RDA sowie VIR ein Verbändeschreiben zur Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes und nahm darin kritisch Stellung und appellierte eindringlich an die Politik. Unterstützung erhielten die Verbände zusätzlich durch das Aktionsbündnis Tourismusvielfalt, dem weitere 28 Branchenverbände aus dem Tourismus angehören. Zielgebend war die Streichung der im Schreiben angesprochenen Maßnahmen, die den Tourismus in hohem Maße erneut stark betreffen und einschränken würden.

Stellungnahme vom 23. August 2022:

Die Verbände sind der Auffassung, dass im Rahmen der Pandemiebekämpfung bzw. deren Vorsorge Gesundheit und Sicherheit an oberster Stelle stehen müssen. Zu bedenken sei aber, dass künftige Regelungen ausgewogen und verhältnismäßig sein müssen, was aus Sicht der Tourismusverbände in der Vergangenheit nicht zu jedem Zeitpunkt der Fall war.

Umso mehr gilt nun, das Gesamtgefüge der Maßnahmen gerecht zu gestalten und der tatsächlichen Gefährdung einerseits und der großen Belastung für Wirtschaft und Gesellschaft durch pandemiebedingte Einschränkungen andererseits Rechnung zu tragen.

So ist die Reise- und Tourismuswirtschaft als eine der am stärksten durch die Einschränkungen getroffenen Branchen gerade dabei, sich von den Nachwirkungen der letzten zwei Jahre zu erholen. Schon jetzt zeigen sich dabei Verwerfungen, zum einen durch das verlorene Verbrauchervertrauen in das Reisen an sich, zum anderen durch eine massive und dauerhafte Abwanderung von Arbeitskräften. Hinzu kommen Herausforderungen für die Branche angesichts der Energiekrise und durch das Erfordernis von Maßnahmen und Investitionen in puncto Nachhaltigkeit.

Sollte es erneut zu Einschränkungen kommen und der Tourismus damit für Monate zum Erliegen kommen, wird dieser Trend verstärkt und für Teile der Wirtschaftsakteure unumkehrbar sein, mit der Folge des Ausscheidens aus dem Markt.

Angesichts der gegenüber den beiden Vorjahren deutlich geringeren pandemischen Gefährdung und der Möglichkeit, gezielt vulnerable Gruppen zu schützen, plädieren die Verbände dafür, die Infektionsschutzregeln für die Herbst- und Wintermonate auf ein notwendiges und erwiesenermaßen effektives Maß zu beschränken.

Leider gehen die den Touristikern bekannt gewordenen geplanten Neuregelungen zum Infektionsschutz über ein solches, oben skizziertes verhältnismäßiges Maß hinaus. So sieht ein vorliegender Gesetzentwurf vor, die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, die am 23.09.2022 auslaufen, zu verlängern und zum 1.10.2022 in den wesentlichen Punkten fast unveränderter Form neu zu fassen. Der bisher bekannte Maßnahmenkatalog sieht auch für die Neufassung Reise- und Beherbergungsverbote, die Einschränkung von Gastronomie und Freizeiteinrichtungen sowie die Schließung von Kultureinrichtungen, somit dasselbe Instrumentarium der vergangenen zwei Pandemiejahre vor.

Aus Sicht der touristischen Verbände sind die geplanten Maßnahmen spätestens zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr notwendig, aus rechtlicher Sicht unverhältnismäßig und daher rechtswidrig. Gleiches gilt für die geplante Verlängerung der Verordnungsermächtigung gemäß § 36 IfSG und dort insbesondere für die Ermächtigung des Bundesgesundheitsministeriums zum Erlass von Beförderungsverboten durch die Einreiseverordnung.

Wir bitten, bei Ihrer Prüfung insbesondere folgende Argumente zu berücksichtigen:

  • Voraussetzung für die Anordnung sog. notwendiger Schutzmaßnahmen iSd § 28 Abs. 1 S.1 und 2 soll offenbar weiterhin die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den deutschen Bundestag sein. (Vgl. § 28a Abs.1 IfSG-E) Diese Konstruktion ist höchst umstritten und wird im Bericht des Sachverständigenausschusses als „eine juristisch insgesamt fragwürdige Konstruktion“ bezeichnet, die „zu staatsorganisationsrechtlichen Verschiebungen im Gewaltengefüge“ führt. (Vgl. Bericht SV-Ausschuss, Kap. 7.1, S. 105) Berücksichtigung findet diese fundamentale Kritik jedoch in keiner Weise.
  • Die geplanten Maßnahmen in § 28 a IfSG zur Einschränkung weiter Teile des Gesellschafts-, Wirtschafts- und Kulturlebens sind aus wissenschaftlicher Sicht nicht notwendig und aus rechtlicher Sicht nicht zu rechtfertigen. So ist der überwiegende Anteil der Bevölkerung mittlerweile gegen das Coronavirus immunisiert und zumindest gegen schwere Verläufe geschützt. Eine grundsätzliche erhebliche Gefährdung der Gesellschaft ist durch das Corona-Virus nicht mehr zu befürchten. Dies bestätigt auch der Bericht des Sachverständigenausschusses, der in seinem Evaluationsbericht vom 30. Juni 2022 zum einen festhält, dass die Wirksamkeit eines “Lockdowns” nur zu Beginn einer Pandemie, und auch nur kurzfristig, Wirkung entfaltet (vgl. Ebendort, Kapitel 6.1.1.1.).
  • Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die auch die Reise- und Tourismusbranche immer wieder vorgebracht hat, haben nun im dritten Jahr der Pandemie an Schärfe noch dazugewonnen. So ist es vor dem Hintergrund der Entwicklung der Pandemie nicht mehr nachvollziehbar, dass die vorgesehenen Grundrechtseingriffe nach wie vor ohne ausreichende Begründung an die Bundesländer delegiert werden soll. So stellt auch der Sachverständigenausschuss in seinem Evaluationsbericht fest, dass es basierend auf dem aktuellen Stand der Erkenntnis und der Verflechtung von erwünschten und unerwünschten Wirkungen von Maßnahmen, nicht möglich sei, “eine umfassende Blaupause für die bei einem erneuten Aufflackern der Infektionsdynamik anstehenden Ergänzungen des IfSG zu liefern” (vgl. Einleitung, S. 19).
  • Wir weisen darauf hin, dass jeder einzelne Grundrechtseingriff im Hinblick auf Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit ausreichend zu begründen und abzuwägen ist. Dies müsste im dritten Jahr der Pandemie mindestens, aber auch unbedingt anhand von Zahlen und Fakten geschehen, die den Beitrag einer jeden Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie nachvollziehbar aufzeigen. Bisher ist dies jedoch nicht geschehen, vgl. auch Evaluationsbericht des Sachverständigenausschusses (Kapitel 3).
  • Hinsichtlich der Möglichkeit, einige Bereiche aus dem Maßnahmenkatalog auszunehmen, ist dem Sachverständigenausschuss zuzustimmen, wenn er anmerkt, dass „Eine Hierarchie der Grundrechte gibt es nicht. Dass die erhöhten Voraussetzungen für Schutzmaßnahmen, die § 28a Abs. 2 IfSG enthält, [nur für bestimmte Verbote gilt,] ist nicht mit verfassungsrechtlichen Erwägungen erklärbar.“ (vgl. Bericht SV-Ausschuss, Kap. 7.3.2.4., S. 112-113)
  • § 28b Abs. 1 und 4 IfSG-E sehen vor, dass unabhängig von einer durch den deutschen Bundestag festgestellten epidemischen Lage nationaler Tragweite Schutzmaßnahmen angeordnet werden können, wenn eine konkrete Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastrukturen besteht. Es bleibt dabei aber, trotz des Versuchs der Konkretisierung in Abs. 7 S. 1, im Ergebnis weiter offen, wann die Schwelle zu einer konkreten Gefahr überschritten ist. Dadurch, dass die Landesregierungen zudem ermächtigt werden, Schwellenwerte für die in Abs. 7 S. 2 aufgezählten Indikatoren festzusetzen, droht erneut ein „Flickenteppich“ unterschiedlicher Regelungen. Dies wird die Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung vollends unterminieren.

Die touristischen Verbände geben zu bedenken, dass Freizügigkeit, Reisefreiheit und die Teilhabe am Kulturleben nicht hoch genug zu bewerten sind. An ihre Einschränkung müssen daher strengste Maßstäbe gelegt werden. Der Zusammenschluss bittet ebenso herzlich wie eindringlich, dem Anliegen Rechnung zu tragen und sich für eine Streichung der oben angesprochenen Maßnahmen einzusetzen.

Folgene Verbände haben das Schreiben unterzeichnet:

asr Allianz selbständiger Reiseunternehmen – Bundesverband e.V.
Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) e.V.
DEHOGA Bundesverband e.V.
DRV Deutscher ReiseVerband e.V.
Deutscher Tourismusverband e.V.
Hotelverband Deutschland (IHA) e.V.
RDA Internationaler Bustouristik Verband e. V.
Verband Internet Reisevertrieb e. V.

Mit unterstützende Verbände sind:

BAG der KiEZe in Deutschland e.V.
Bund der Selbständigen Deutschland e.V.
BundesForum Kinder- und Jugendreisen e.V.
Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland e.V.
Bundesverband der Deutschen Incoming Unternehmen e.V.
Bundesverband der Gästeführer in Deutschland e. V.
Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V.
Bundesverband führender Schulfahrtenveranstalter e.V.
Bundesverband Individual- und Erlebnispädagogik e.V.
Bundesverband Wassersportwirtschaft e.V.
Deutscher Fachverband High School
Deutscher Ferienhausverband e.V.
European Ropes Course Association/Verein zur Förderung von Ropes Courses e.V.
Fachverband Deutscher Sprachschulen und Sprachreise Veranstalter
Forum Anders Reisen e.V. – Verband für nachhaltigen Tourismus
HSMA Deutschland e.V.
Internationaler Verband der Paketer e.V.
Landesverband für Kinder- & Jugendreisen Berlin-Brandenburg e.V.
Reiseleiter und Tourguide Verband e.V.
Reisenetz e. V. – Deutscher Fachverband für Jugendreisen
Verband der Fährschifffahrt und Fährtouristik e.V.
Verband Deutscher Ferienhausagenturen e.V.
Verband Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen e.V.
Verband deutscher Schullandheime e.V.
Verband selbständiger Reiseberater Deutschlands e.V.

Über den VIR:

Der Verband Internet Reisevertrieb e.V. (VIR) ist der Interessenverband der deutschen Digital-Touristik, die laut FUR-Zahlen von 2021 rund 66 Prozent der Urlaubsreisen ab einer Übernachtung mit vorab gebuchten Leistungen ausmacht. Der VIR ist nicht nur Ansprechpartner für die Branche, sondern auch für Verbraucher, Medien und Politik. Zu den VIR-Mitgliedern gehören über 80 Unternehmen, die in der digitalen Touristik tätig sind. Sie unterteilen sich in die vier Cluster OTA, Supplier & Tour Operator, Service- & Travel Technology Provider sowie Start-up.

Zu den Aufgaben des VIR zählen auch die Nachwuchsförderung, die Unterstützung von Innovationen und Neuentwicklungen, sowie die Sensibilisierung der Touristik für wichtige Trends und Themen.

VIR-Mitglieder sind: A3M,  ACCON-RVS, act, adigi, AERTicket, Allianz Travel, Amadeus Germany, Backpackertrail, Bewotec, Berge & Meer, Booking.com, BPCS Consulting Services, CamperBoys, Concardis, DER Touristik, DynAmaze, EC Travel, elysium audio solutions, ERGO Reiseversicherung, Europ Assistance, Evaneos, exfinity, expipoint, Expedia Group, faircations, , FairWeg, fanz, FerienDiscounter, FLYLA, For You Travel, GIATA, Groupon, GreenTiny Houses, Hamburg Tourismus GmbH, HanseMerkur, heymundo, HolidayCheck, HRS, Invia Group, Involatus Carrier Consulting, journaway, Juvigo, Lambus, LEGOLAND Holidays, lialo, Lohospo, Midnight Deal, Midoco GmbH, MOTOURISMO, MyCabin, MYLi, OBS OnlineBuchungsService, Passolution, Payone, PayPal, refundrebel, re:spondelligent, RightNow Group, Sabre, sailwithus, schauinsland-reisen, silverscreentours, sleeperoo, socialbnb, Solamento, Sunny Cars, taa travel agency accounting GmbH, ta.ts, team neusta, tennistraveller, tourboerse, TourOne Systems, traffics, TraSo, Trasty, travelbasys, Travelport, Travivre, TripLegend, TRIP*PERFECT, TUI, TURESPAÑA, Ucandoo, weg.de, Wirelane und Xamine.

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