Presse

Die ITB-Rede von VIR-Vorstand Michael Buller

Michael Buller

VIR Vorstand Michael Buller eröffnet den VIR Online Summit 2018 zum Auftakt der ITB Berlin

Für die Gesamttouristik war 2017 ein wirklich starkes Jahr. Laut FUR-Reiseanalyse 2018 lassen wir mit insgesamt 123,6 Millionen verkaufter Reise die Automobilindustrie bei den Stückzahlen weit hinter uns – diese hat in 2017 nämlich gerade einmal 3,44 Millionen Neuzulassungen erreicht. Die Touristik bringt also mehr Menschen auf die Straße als die Automobilindustrie!

Insgesamt stieg die Anzahl der Urlaubsreisen im Vorjahr um vier Millionen, was einem Plus von 3,34 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Die Gesamtausgaben erhöhten sich dabei von 76,2 Milliarden Euro im Vorjahr auf 84,2 Milliarden, was ein Plus in Höhe von zehn Prozent bedeutet. Mehr kann man sich von einem Jahr doch eigentlich nicht wünschen?

Auch 2018 hatte einen extrem guten Start im Januar. Laut GfK Travel Insight zu Jahresbeginn stehen die Vorausbuchungen für den Sommer 2018 bei den Reisebüros bei 14,3 Prozent im Plus und bei den Onlinern sogar bei 44,8 Prozent. Einer der wichtigsten Punkte dabei ist sicher, dass die Türkei auf die touristische Landkarte zurückkommt. Das sollte uns dabei helfen, ein gesundes Wachstum zu halten.

Somit alles gut, oder?

Nicht ganz: Immerhin gibt es noch die Datenschutzgrundverordnung und die Pauschalreiserichtlinie, die im Mai bzw. im Juli 2018 in Kraft treten. Zwei doch ziemlich große Projekte, die uns sicherlich dabei aufhalten werden, neue Projekte zu realisieren, die uns eigentlich vorwärts bringen sollen. Und noch weiteres steht uns ins Haus, als Stichwort sei nur das Thema e-Privacy Verordnung genannt.

Ich könnte auch sagen, dass bei all den guten Zahlen die Gefahr groß ist, dass wir stehenbleiben. Es läuft doch gut, weshalb sollten wir etwas ändern? Aber genau in Zeiten wie diesen muss man investieren, und erst recht in den Wandel! Warum nicht jetzt endlich einmal etwas mit dem „digitalen Kram“ ausprobieren, sich in die digitale Zukunft einbringen und bestehende Chancen nutzen?! Ich werde nicht müde, die Branche immer wieder daran zu erinnern. Wir denken sogar über eine Mittelstandsinitiative nach – dann gibt es kein „kann ich nicht“ oder „weiß ich nicht“, sondern alles darauf Folgende wäre ein „will ich nicht“.

Einen  politischen Lichtblick gibt es in Sachen Digitalisierung: Frau Dorothee Bär, die unsere Staatsministerin für Digitales wird. Ich stimme mit ihr schon jetzt in vielem überein. Ja, wir brauchen kein einzelnes Digitalministerium, sondern jedes Ministerium braucht eine digitale Kompetenz und Weitsicht.

„Die Weltoffenheit ist uns abhandengekommen“

Nun aber zu einem anderen Thema, das mir Sorgen bereitet. Die fvw-Chefredakteurin Sabine Pracht schrieb vor kurzem: „Die Weltoffenheit ist uns abhandengekommen.“ Ich finde, das bringt es ziemlich auf den Punkt. Denn wenn wir uns umschauen, können wir überall sehen, was das bedeutet.

Viele Länder erleben einen wachsenden Populismus und das Erbauen von neuen Grenzen – und das, obwohl doch die Welt in meinem Handy schon lange keine Grenzen mehr kennt!

Es wird mit der Angst gespielt und jeder Einzelfall wird zum Standardfall stilisiert – obwohl man sich doch erst einmal die Größe eines Problems ansehen sollte, bevor man reagiert. Fakten werden vollkommen außer Acht gelassen oder so lange verdreht, bis sie ins Bild passen.

Das kennen wir auch vom Umgang mit der Digitalisierung: „Bedenken first, digital second“.  Dabei steht in fast jedem Wahlprogramm: „Wir wollen die Digitalisierung fördern!“

Vielleicht passt dazu auch das Phänomen des Overtourismus. An so mancher Wand stand im vergangenen Jahr: „Tourist go home!“. Dabei ist doch ein Zuviel an Tourismus schon ein Luxusproblem. Eigentlich dachte ich, dass Destinationen den Tourismus wollten, weil es ihre Wirtschaft ankurbelt und Arbeitsplätze schafft.

Der Tourismus lebt von Toleranz und Weltoffenheit. Wer aber will in eine Destination gehen, in der er sich nicht willkommen fühlt? Das gilt übrigens nicht nur für den Outbound-Tourismus, sondern ebenso für den Inbound-Tourismus.

Glauben wir wirklich, dass  Fremdenhass besonders einladend ist für jemanden, der Deutschland besuchen will? Immerhin reden wir hier in 2016  von rund 54 Millionen Reisen aus dem Ausland nach Deutschland und einen Umsatz in Höhe von 32 Milliarden Euro!

Jeder 15. Arbeitsplatz in Deutschland ist vom Tourismus abhängig

Darüber hinaus reden wir auch von knapp drei Millionen Beschäftigten im Tourismus (plus 1,25 Millionen indirekten). Wieder vergleiche ich dies mit der Autoindustrie, wo wir von 800.000 Beschäftigten und einer Million indirekten sprechen. Damit ist jeder 15. Arbeitsplatz vom Tourismus abhängig.

Dies sollte auch Sebastian Münzenmaier bedenken, Mitglied des Bundestages und nun als Vorsitzender des Tourismusausschusses auch tourismuspolitischer Sprecher, also der Vertreter dieser wichtigen Branche.

Umso mehr erstaunen mich die Aussagen seiner Parteikollegen. Andre Poggenburg, der AfD-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt, wettert von „Kümmelhändlern“ und „Kameltreibern“ über andere Kulturen. Oder Björn Höcke, AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag, von dem der Ausspruch stammt, dass sobald die AfD an der Macht ist, die Direktive ausgegeben werde, dass am Bosporus mit den drei großen M – Mohammed, Muezzin und Minarett – Schluss sei.

Wir als VIR werden uns die Arbeit und die Aussagen von Herrn Münzenmaier genau ansehen. Als Vorsitzender des Tourismusausschusses des Deutschen Bundestages kann man solche Aussagen (egal übrigens aus welcher Partei) schlichtweg nicht tolerieren und ich erwarte von Herr Münzenmaier, in seiner Position, dass sie sich in aller Öffentlichkeit von diesen Aussagen distanzieren und dagegen aufs schärfste protestieren!

Mein Appell an die Touristik: Lasst uns GEMEINSAM für die Wunder dieser Welt werben und für die Vielfalt, die in ihr vorhanden ist. Für eine verständnisvolle Welt, in der sich Menschen mit Respekt begegnen – und nicht mit Angst. Sorgen wir dafür, dass die Angst ein bisschen weniger wird, und pflanzen wir dafür die Neugier.

Wenn nicht wir – wer dann?

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