Hinkende Vergleiche und falsche Erwartungshaltung
Die jüngste Analyse der Marktwächter zeigt einmal mehr die fehlerhafte Auffassung zur Rolle von Online-Anbietern und eine spürbare Unkenntnis des Marktes
Das Kapitel ist für uns als führender Verband der Digital-Touristik nicht neu – besser macht es die Sache aber nicht. Ganz im Gegenteil! Die neueste Untersuchung der Marktwächter zur Zufriedenheit von Kunden mit Vermittlungsportalen enthüllt erneut eine ziemliche Unkenntnis des e-Commerce. Darüber hinaus zeigt sich einmal mehr, mit welch unterschiedlichen Maßstäben bei Online- und Offline-Anbietern gemessen wird. Nicht zuletzt verkehrt die Untersuchung ein überwiegend positives Urteil von Internet-Nutzern ins Gegenteil und betont den wohlgemerkt kleineren Teil der Nicht-Zufriedenen.
Doch zunächst zum Inhalt: In ihrer Studie untersuchten die Marktwächter der Verbraucherzentrale Bayern insgesamt 30 Vermittlungsportale im Internet. Neben der Hotellerie und Pauschalreisen zählten dazu auch Anbieter, die Kredite, Strom- oder Mobilfunktarife vertreiben. Ein sehr weites Feld also. Als führender Verband der Digital-Touristik schauen wir uns naturgemäß die Ergebnisse im Hinblick auf unsere eigene Branche an.
Online-Reiseportale müssen keinen Universal-Vergleich liefern
Ein Fazit der Untersuchung: Die Portale würden ihrer Rolle als Orientierungsgeber nicht gerecht. In dieser Forderung liegt bereits der sprichwörtliche Hund begraben. Insbesondere deshalb, weil die Macher der Studie Äpfel mit Birnen vergleichen. Eine Meta-Hotelsuche wie Trivago oder eine Vergleichswebsite wie Check24 mögen den Anspruch haben, einen weitgehend unabhängigen Überblick zu bieten – schließlich leiten sie zur Buchung auch an den jeweiligen Anbieter weiter und nehmen sie nicht selbst vor. Wer jedoch Online-Portale wie HRS, Expedia oder Booking.com für unabhängige Vergleichsassistenten hält, hat deren Rolle nicht verstanden.
Offline und Online: Zwei Welten bei der Anspruchshaltung
Natürlich stehen hinter den Portalen Unternehmen, die ihre eigenen Verträge mit Partnern wie Airlines, Hotels und Reiseveranstaltern verhandeln und natürlich arbeiten sie mit eigenen Margen und gestalten somit ihre individuellen Tarife. Selbstverständlich haben sie das Recht, bestimmte Angebote prominent darzustellen. Alles andere wäre absurd. Man stelle sich vor: Ein Supermarkt würde dafür gerügt, eine bestimmte Schokoladensorte deutlich sichtbar im Kassenbereich zu platzieren. Undenkbar! In den Regalen des Einzelhandels befinden sich die teuersten Produkte stets auf Sichthöhe – die Discounter-Produkte finden sich dagegen meist in Bück-Distanz. Würde jemand Rewe, Edeka und Co. auffordern, dies zu ändern oder gar ins Gegenteil zu drehen? Sicher nicht. Genau dies fordern die Marktwächter mit ihrer Kritik aber vom Online-Vertrieb.
Gleiches Vergleichsszenario stelle man sich für den Offline-Reisevertrieb vor. Natürlich steuert ein klassisches Reisebüro die Buchung auf bevorzugte Partner. Gehört eine Agentur zu einem großen Reise-Konzern, wird es sehr viel daran setzen, Kunden von der Qualität des hauseigenen Produkts zu überzeugen. Die Anspruchshaltung an ein Online-Reisebüro scheint grundlegend anders: Es solle eine Hilfe im Dschungel der vielen Angebote darstellen. Mit Verlaub: Diese Forderung gleicht einer Themaverfehlung. Die Macher gehen sogar so weit, dass sie Portale – die sie ja selbst korrekt als Vermittler und nicht als Vergleichsportale bezeichnen – auffordern, kenntlich zu machen, wessen Angebote sie im Sortiment führen und wessen Produkte nicht.
Das wäre in etwa so, als würde man einen Kiosk-Besitzer dafür abmahnen, weil er statt Milka nur Ritter Sport im Schokoladen-Sortiment führt und ihn um Herausgabe einer Liste bitten, die all das aufführt, was ich als Kunde bei ihm nicht bekomme.
Denken wir das Beispiel noch ein wenig weiter: Als Kunde kann ich den Laden nach meinen persönlichen Wünschen umsortieren, nur Milka in den Verkaufsraum oder die billigste Schokolade mit Nüssen ganz vorne in den Eingangsbereich. In welchem analogen Bereich ist das möglich? Genau, in keinem. Digital hingegen ist es den Kunden immer möglich, nach ihren Wünschen und Vorlieben zu sortieren.
Kunden aufgeklärter, als mancher sie sich wünschen würde
Interessant finde ich es zudem, wie die Macher der Studie einen Ausgang, der überaus positiv für die Online-Industrie zu werten ist, ins Gegenteil zu drehen suchen. Von rund 29 Prozent der User ist da unter anderem die Rede, die der Auflistung von Angeboten nicht oder nicht so richtig trauen. Stolze 63 sehen das aber eher andersherum. Eine Mehrheit vertraut auch den Empfehlungen und Bewertungen. Daher wissen sehr viele User offensichtlich, welche Anspruchshaltung sie gegenüber einem Online-Portal haben können. So scheint mir der Konsument deutlich aufgeklärter und realistischer als die Initiatoren der Studie ihn sich gerne vorstellen möchten: Nämlich als unmündigen Bürger in einem verwirrenden Netz, der auf sein Recht pocht, von jedem Anbieter eine komplette Marktübersicht zu erhalten. Diesem hilflosen Bild vom Internet-User will ein Großteil der Studie jedoch so gar nicht entsprechen – so meine Einschätzung.
Es ist doch so: Letzten Endes stimmt der Kunde sozusagen mit seiner Kreditkarte ab. Und das tut er in wachsendem Maße online. In anderen Konsumbereichen ebenso wie in puncto Reisen. Machen wir den Online-Kunden daher doch bitte nicht unmündiger als er sich selbst sieht!
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