Aktuelle Rechtsprechung für Touristiker von Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Josef Vogel und Rechtsanwältin Dr. Julia Thöle, LL.M.
Die Umsetzung von Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und Pauschalreiserichtlinie haben die gesamte Touristikbranche in den letzten Wochen und Monaten in Atem gehalten. Die meisten Unternehmen haben die neuen Regelungen bereits rechtskonform umgesetzt oder sind zumindest auf gutem Weg. Abgesehen von diesen rechtlichen „Dauerthemen“ der letzten Monate gab es jedoch auch mehrere interessante und relevante gerichtliche Entscheidungen, über die wir gerne informieren möchten:
1. EuGH: Entschädigung bei Verspätung von Umsteigeverbindungen außerhalb der EU
Der EuGH hat mit Urteil vom 31. Mai 2018 (C-537/17) entschieden, dass Passagieren auch dann ein Anspruch auf eine Entschädigung nach der EU-Fluggastrechteverordnung zusteht, wenn Anschlussflüge außerhalb der EU verspätet sind.
In dem vom EuGH entschiedenen Fall hatte eine Deutsche bei einer marokkanischen Airline einen Flug von Berlin nach Agadir mit Umstieg in Casablanca gebucht. Nachdem ihr Flug von Berlin nach Casablanca pünktlich dort gelandet war, erfuhr sie von der Überbuchung ihres Anschlussfluges von Casablanca nach Agadir. Sie erreichte ihr Reiseziel Agadir daher erst mit einer späteren Maschine und vier Stunden Verspätung. Die marokkanische Airline verweigerte ihr die geforderte Entschädigungszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung. Dies begründete die Airline damit, dass es sich bei dem Flug von Casablanca nach Agadir um einen Flug außerhalb der EU und damit außerhalb des Geltungsbereiches der EU-Fluggastrechteverordnung handele. Dem widersprach nun der EuGH mit seiner aktuellen Entscheidung. Nach Auffassung des EuGH stellen mehrere Flüge eine Gesamtheit dar, wenn sie Gegenstand einer einzigen Buchung waren. Die gesamte Flugstrecke einschließlich Anschlussflügen ist daher im Hinblick auf den Ausgleichsanspruch als ein Flug zu behandeln. Kommt der Passagier mit entsprechender Verspätung am Zielflughafen an, steht ihm demzufolge ein Ausgleichsanspruch nach der EU-Fluggastrechteverordnung zu, auch wenn letztlich nur ein Flug außerhalb der EU Verspätung hatte. Der EuGH stellte in seiner Entscheidung darüber hinaus klar, dass auch ein Wechsel des Flugzeuges dieser Einstufung nicht entgegenstehe.
2. BGH: Ersatzanspruch für Mehrkosten eines selbstständig gebuchten Ersatzfluges
Der BGH hat mit Urteil vom 3. Juli 2018 (Az.: X ZR 96/17) entschieden, dass ein Reiseveranstalter bei einer erheblichen Verschiebung eines Fluges, die Mehrkosten für einen vom Kunden selbstständig gebuchten Ersatzflug zu tragen hat. Der BGH stellt in dieser Entscheidung ebenfalls klar, dass diese Flugkosten auch ohne Mängelanzeige und Abhilfeverlangen des Kunden zu tragen seien, sofern der Veranstalter die Kunden nicht ordnungsgemäß auf ihre Anzeigepflicht hingewiesen habe.
In dem entschiedenen Fall hatte die Klägerin für sich und ihre Familie eine Pauschalreise in die Türkei gebucht. Der Rückflug von Antalya nach Frankfurt sollte um 20:05 Uhr starten. Am Abreisetag wurde der Klägerin am Flughafen mitgeteilt, dass der Rückflug erst um 22:40 Uhr starten könne und darüber hinaus anstatt nach Frankfurt nach Köln gehe. Von Köln sei ein Bustransfer nach Frankfurt vorgesehen. Die Ankunft am Zielflughafen Frankfurt wurde daher erst mit einer Verspätung von 6,5 Stunden erwartet. Nach Erhalt dieser Information buchte die Klägerin eigenständig und ohne vorherige Kontaktaufnahme mit der beklagten Reiseveranstalterin bei einer anderen Fluggesellschaft einen Ersatzflug nach Frankfurt. Die Klägerin nahm die Reiseveranstalterin auf Zahlung der für den Ersatzflug entstandenen Mehrkosten in Anspruch. Der BGH gab der Klage statt. Er führte aus, dass eine vorhergehende Mängelanzeige verbunden mit einem entsprechenden Abhilfeverlangen im konkreten Fall nicht erforderlich gewesen sei, da die beklagte Reiseveranstalterin die Klägerin nicht auf die Anzeigepflicht hingewiesen habe. Darüber hinaus beurteilte der BGH die Versäumung der Monatsfrist nach § 651g BGB a.F. als unerheblich, da die Reiseveranstalterin auf diese Verpflichtung ebenfalls nicht ordnungsgemäß hingewiesen hatte.
3. EuGH: Entschädigung für Fluggäste bei „wildem Streik“ von Airline-Mitarbeitern
Der EuGH hat mit Urteil vom 17. April 2018 (Rs.C-195/17) entschieden, dass Fluggästen auch bei einem sogenannten „wilden Streik“ Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen nach der EU-Fluggastrechteverordnung zustehen.
Nachdem die Gesellschaft TUI-Fly ihrer Belegschaft am 30. September 2016 Pläne zur Umstrukturierung des Unternehmens angekündigt hatte, kam es beim Personal von TUI-Fly zu ungewöhnlich vielen krankheitsbedingten Abwesenheiten. So lag die Quote krankheitsbedingter Abwesenheiten in den 1,5 Wochen nach Bekanntgabe der Umstrukturierungsmaßnahmen bei bis zu 89 % des Cockpitpersonals sowie bis zu 62 % des Kabinenpersonals. Die TUI-Fly musste daher ihre ursprüngliche Flugplanung aufgeben. Zahlreiche Flüge wurden annulliert oder waren von erheblichen Verspätungen betroffen.
Der EuGH hat nun entschieden, dass ein derartiger „wilder Streik“ keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne der EU-Fluggastrechteverordnung darstellt. Die TUI-Fly ist demnach zu entsprechenden Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen nach der Fluggastrechteverordnung gegenüber den betroffenen Fluggästen verpflichtet.
Text: Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Josef Vogel und Rechtsanwältin Dr. Julia Thöle, LL.M.
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