Stellungnahme des Verband Internet Reisevertrieb e.V. (VIR) zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Entwurf eines Gesetzes über die Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds und zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir begrüßen ausdrücklich das Bestreben der Bundesregierung, die Insolvenzsicherung im Reiserecht neu zu regeln und den durch die Pandemie verursachten außergewöhnlichen Bedingungen in der Reisebranche Rechnung zu tragen.

Mit dem nachfolgenden Text nehmen wir Stellung zu dem am 2. Februar 2021 vom

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz versandten Referentenentwurf zum Pauschalreiserecht – Entwurf eines Gesetzes über die Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds und zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften.

In der kurzen Frist, die uns zur Stellungnahme eingeräumt wurde, konnte der VIR lediglich eine erste Evaluierung vornehmen. Schon hierbei wurde jedoch deutlich, dass der Entwurf einige weitreichende Punkte für unsere Mitgliedsunternehmen sowie die Verbraucher nicht oder nicht ausreichend adressiert. Darüber hinaus bestehen viele Unklarheiten, die der Gesetzentwurf aus unserer Sicht klarstellen muss.

Ein etwaiger Gesetzentwurf wird naturgemäß einer eingehenderen Analyse bedürfen. Auch wenn wir die Stoßrichtung des Gesetzesentwurfs befürworten, sehen wir für den Moment jedoch erheblichen Nachbesserungsbedarf.

Nachfolgend nehmen wir zu ausgewählten Punkten wie folgt Stellung:

Artikel 1: Gesetz über die Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds (Reisesicherungsfondsgesetz – RSG)

2 RSG Geschäft des Reisesicherungsfonds

Zu klären wären folgende Fragen:

  • Wer gründet die GmbH?
  • Wer sind die Gesellschafter der GmbH?
  • Wie wird die Gesellschaft konkret ausgestaltet?
  • Ist eine andere Rechtsform (Aktiengesellschaft, e.G.) geprüft worden und warum ist nur eine GmbH als geeignet angesehen worden?
  • Die gesetzlichen Informationsrechte des Gesellschafters einer GmbH sind weitreichend und können zur partiellen Offenlegung von Betriebsgeheimnissen führen. Wie soll gesichert werden, dass Gesellschafter der GmbH nicht durch Informationsrechte Daten der abgesicherten Reiseanbieter erhalten?

3 RSG Zweck des Fondsvermögens

Zu klären wäre folgende Frage:

  • Gemäß § 3 Nr. 2 RSG darf der Reisesicherungsfond das Fondsvermögen nur zur Deckung der Kosten für die Bildung des Fondsvermögens und den für seine Verwaltung erforderlichen Geschäftsbetrieb verwenden. Wie wird dieser Verwaltungsaufwand gedeckelt?

5 RSG Bemessung des Zielkapitals

Zu klären wären folgende Punkte:

  • Wir sehen das Problem, dass durch Stützungsmaßnahmen Reiseanbieter in den Fonds eintreten können und müssen, die erhebliche Risiken aus der Vergangenheit tragen und nunmehr diese Risiken sozialisieren, also auf alle Reiseanbieter verteilen. Diese Bürde für Reiseanbieter muss durch eine geeignete staatliche Kapitalisierung des Fonds (einmalige, nicht rückzahlbare Einlage) abgefedert werden. Es bestehen Bedenken bei vielen Marktteilnehmern, nunmehr erheblich höhere Kosten tragen zu müssen, um das Klumpenrisiko einiger besonders durch die Pandemie getroffener Reiseanbieter mit ihrem Geschäftsmodell und Entscheidungen aus der Vergangenheit auszugleichen.
  • Steuerliche Behandlung

Zu klären sind auch Fragen der steuerlichen Behandlung. Der Entwurf schweigt sich dazu aus. Er scheint anzunehmen, dass es sich bei dem Zielkapital um den Betrag handelt, der als Rückstellung auszuweisen ist. Es besteht das Risiko, dass dieser Betrag indessen durch die Finanzverwaltung nicht als Rückstellung anerkannt wird. Wie soll dann mit der Körperschaftssteuer umgegangen werden?

  • Anlage der Mittel

Der Fonds wird über erhebliche Liquidität verfügen; wie soll dieser Betrag, insbesondere zur Vermeidung von Negativ-Zinsen angelegt werden? In den gesetzlichen Regelungen sollten Voraussetzungen für die Anlage festgeschrieben werden, die die Sicherheit der Anlagen und die Kündbarkeit klarstellen.

  • Übersicherung bei Vermittlung verbundener Reiseleistungen

Im Moment scheint das Gesetz vorzusehen, dass Vermittler verbundener Reiseleistungen so beurteilt werden wie Reiseveranstalter. Der von ihnen zu leistende Beitrag zum Reisesicherungsfonds würde sich ebenfalls prozentual nach ihrem gesamten Umsatz bestimmen. Bei Vermittlern verbundener Reiseleistungen erscheint es jedoch nicht gerechtfertigt, alle Umsätze abzusichern, da eine Absicherung gem. § 651w Abs. 3 BGB nur erforderlich ist, wenn der Vermittler verbundener Reiseleistungen Zahlungen entgegennimmt oder sich selbst zur Beförderung des Reisenden verpflichtet hat. Der Beitrag sollte sich demnach nur an dem Umsatz orientieren, der von dem Vermittler verbundener Reiseleistungen tatsächlich abgesichert werden muss. Gleiches ist bereits für Reiseveranstalter vorgesehen. Dies muss auch für Vermittler verbundener Reiseleistungen gelten. Dieser Beurteilung steht auch nicht der Umstand entgegen, dass für Vermittler verbundener Reiseleistungen kein Kontrahierungszwang hinsichtlich des Reisesicherungsfonds besteht. Denn es ist zu befürchten, dass Versicherungen sich aus dem Markt zurückziehen werden und eine Absicherung nur noch über den Fonds möglich sein wird. Diese Situation würde kleinere Vermittler verbundener Reiseleistungen klar benachteiligen, das eingeräumte Wahlrecht zwischen einer Absicherung über eine Versicherung oder über den Reisesicherungsfonds wäre damit lediglich hypothetisch gegeben.

  • Bemessung des Zielkapitals abhängig von inländischen Reiseanbietern
    • Bei der Bemessung des Zielkapitals sollen nur Reiseanbieter berücksichtigt werden, die ihren Sitz im Inland haben. Dies führt faktisch zu einem Ausschluss von Reiseanbietern, die ihren Sitz außerhalb Deutschlands haben. Es sollte deshalb Reiseanbietern mit Sitz außerhalb Deutschlands nach eigenem Ermessen eine optionale Teilnahme an dem Reisesicherungsfonds ermöglicht werden. Dies trifft umso mehr auf Reiseanbieter in Drittländern (nicht-EU-Ländern) zu, die im Gegensatz zu Unternehmen mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat nicht die Regelungen aus dem so genannten Prinzip der gegenseitigen Anerkennung des Insolvenzschutzes, basierend auf dem Herkunfts-/Niederlassungsland, in Anspruch nehmen können, um so eine paneuropäische Deckungslösung zu erreichen.
    • Folglich sollte bei der Bemessung des Zielkapitals eher auf die Umsätze im Inland abgestellt werden als auf die Reiseanbieter, die im Inland ihren Sitz haben.
    • Zudem sollte das Schicksal freiwillig versicherter Produkte (“gewillkürte Pauschalreise” sowie nicht als Pauschalreise, aber dennoch versicherter Reiseleistungen) geklärt werden; sind diese zukünftig absicherbar, wenn der Reiseanbieter dies wünscht, indem etwa eine freiwillige Teilnahme anheimgestellt wird?

6 RSG Sicherheitsleistungen

Zu klären wären folgende Fragen:

  • Gemäß §6 RSG (1) darf der Reisesicherungsfonds den Abschluss eines Absicherungsvertrags (§651r Absatz 2 Satz 1 BGB) von einer Sicherheitsleistung abhängig machen. Wir befürchten, dass diese Regelung nicht eine Ausnahme, sondern der Regelfall wird. Hiermit einhergeht das Risiko einer ruinösen Doppelbelastung einer Mehrzahl von Reiseanbietern die bislang schon ihren Versicherern neben den Prämien auch Sicherheitsleistungen zur Verfügung stellen müssen. Mit Aufnahme der Tätigkeit des Reisesicherungsfonds am 1.11.2021 werden also zwei Systeme nebeneinander stehen, da die Buchungen bis zum 31.10.2021 über die bisherige Versicherung abzudecken sind, jedoch ab dem 1.11.2021 auch über den neuen Reisesicherungsfonds. Reiseanbieter haben also Sicherheiten an Versicherer geleistet und müssen neue Sicherheiten an den Fonds leisten. Hier muss durch ein Sonderkündigungsrecht zugunsten des Reiseanbieters oder durch KfW-Mittel sichergestellt werden, dass Reiseanbieter durch parallele Sicherheiten nicht in der Existenz bedroht werden.
  • In § 6 Abs. 1 Nr. 1 RSG heißt es, dass der Abschluss eines Absicherungsvertrages von einer Sicherungsleistung abhängig gemacht werden darf, die sich nach einem Prozentumsatz des Reiseanbieters bemisst. Was ist genau damit gemeint? Hier sollte das Ermessen beschränkt werden, um nicht in Zusammenhang mit den bei unserer Stellungnahme zu § 19 RSG aufgeführten Hinweisen ein Marktungleichgewicht zu schaffen.

7 RSG Entgelte

  • 7 RSG stellt die Bemessung der Beiträge sehr weitgehend in das Ermessen des Vertragspartners, also wohl der Geschäftsführung der den Fonds tragenden GmbH. Dieses Ermessen sollte zumindest insoweit eingeschränkt werden, dass zu berücksichtigende Faktoren beispielhaft aufgezählt werden (wie etwa Eigenkapitalquote, Rentabilität, u.a.m.) wie noch zu berücksichtigende Faktoren (wie etwa staatliche Unterstützungen, die nicht positiv berücksichtigt werden sollten). Es stellt sich auch die Frage nach Rechtsschutz gegenüber der Bemessung des Entgelts. Die Regelung in § 16 Abs. 3 RSG reicht jedenfalls nicht aus.

8 RSG Allgemeine Anforderungen an die Geschäftsorganisation

Zu klären wären folgende Fragen:

  • Die Anforderung an die Geschäftsorganisation des Reisesicherungsfonds sind im Referentenentwurf wenig konkret geregelt:
    • Wer gründet die GmbH? Wer sind die Gesellschafter der GmbH?
    • Wie wird die Gesellschaft konkret ausgestaltet (z.B. Stammkapital, Geschäftsführung)?
    • Welche Anforderungen werden an die Qualifikation und Unabhängigkeit der Geschäftsführung gestellt?
    • Ist die Gesellschaftsform der GmbH für die Zwecke des Fonds tatsächlich die passende Gesellschaftsform? Wäre nicht eine AG oder Genossenschaft ggf. geeigneter?

9 RSG Beirat

Zu klären wären folgende Punkte:

  • Kompetenzen des Beirates: Der Beirat darf nicht nur eine beratende Funktion haben, ihm sollten auch Vetorechte/Mitbestimmungsrechte bei bestimmten Entscheidungen wie z.B. Sicherheitsleistung, Entgelten, Budgets, usw. zustehen, um die Effektivität und den Erfolg des Fonds sicherzustellen. Inwieweit ein starker Beirat erforderlich ist, wird auch vom Gesellschafterkreis und der Geschäftsführung abhängen. Ein unabhängiger, starker Beirat, der auch in operative Entscheidungen eingebunden ist, kann die Akzeptanz einerseits, aber auch das Missbrauchsrisiko andererseits beeinflussen.
  • Wie viele Mitglieder soll der Beirat haben? Es sollten eine Mindest- und eine Maximalgröße festgelegt werden.
  • Wird es eine Vergütung der Beiratsmitglieder geben? Wenn ja, wäre diese gedeckelt?

12 RSG Erlaubnis; vorläufige Erlaubnis

Zu klären wäre folgende Frage:

  • In § 12 Abs. 2 RSG ist geregelt, dass eine Unterschreitung des nach den §§ 4, 5 erforderlichen Zielkapitals der Erlaubniserteilung nicht entgegensteht, sofern der Reisesicherungsfonds nachweisen kann, dass im Bedarfsfall die Aufstockung des Fondvermögens bis zur Höhe des Zielkapitals gewährleistet ist. Wie soll dies gewährleistet werden?

19 RSG Staatliche Absicherung

  • In § 19 Abs. 1 Nr. 1 RSG ist geregelt, dass die Höhe der Sicherheitsleistungen bei mindestens 7% vom Umsatz liegen soll. Das hält der VIR für deutlich zu hoch angesetzt; denn bisher wurden lediglich 2% von den Versicherern verlangt. Wir halten 4% für angemessen, was schon einer Verdoppelung der aktuellen Sicherheitsleistung bedeutet würde, aber für die Unternehmen auf Dauer noch leistbar ist.
  • In § 19 Abs. 1 Nr. 2 RSG ist geregelt, dass die staatliche Absicherung des Fonds davon abhängig ist, bis zum 31.12.2026 die Entgelthöhe so festzulegen, dass das Zielkapital von 750 Millionen Euro bis zum 31.12.2026 aufgebaut werden kann. Das zu Grunde liegende Konzept des RSG basiert auf dem Niederländischen Modell. Dieser hat 20 Jahre gebraucht, um die volle Höhe des Zielkapitals zu erreichen. Da dies auch Auswirkung auf die Höhe des zu bemessenden Entgelts hat, und damit über die Wettbewerbsfähigkeit der Pauschalreise im Vergleich zur Einzelleistung bestimmt, halten wir den Zeitraum von 5 Jahren für viel zu kurz bemessen.
  • Aufgrund der 5-jährigen Aufbauphase wird deswegen auch in den Erläuterungen auf Seite 41 von 1% des Umsatzes als Entgelthöhe gesprochen. Dies widerspricht sich im Referentenentwurf mit dem auf der Seite 3 genannten Punkt E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft, der von 9,46 Millionen Euro spricht. Neben dem das bei diesem dem Betrag man nur von den sechs größten Veranstaltern ausgegangen ist, basiert dieser Wert auf einen Prämiensatz von 0,25% vom Umsatz (siehe Seite 26). Wir fordern deswegen den Zeitraum für die Erreichung des Zielkapitals auf mindestens 10 Jahre festzulegen und damit einhergehend eine Deckelung auf 0,6%. Der prozentuale Anteil der Prämie für die Insolvenzsicherung liegt, je nach Versicherer im Jahre 2020 im Durchschnitt bei 0,27%, 0,61% und 0,71%. Es erscheint wirtschaftlich wenig sinnvoll, Reiseanbieter in der schwersten Krise der Branche noch stärker zu belasten.
  • Wir halten es weiter für dringend geboten, eine stärkere Kapitalisierung durch den Staat vorzusehen, um das erhebliche Risiko der Insolvenz großer Reiseanbieter, die nur dank staatlicher Unterstützung überleb(t)en, nicht unter allen Reiseanbietern zu sozialisieren. Ohne die Unterstützung bewerten zu wollen: sie darf nicht dazu führen, dass ein erheblich höheres Risiko als bei der Insolvenz der Reiseanbieter nunmehr über den Fonds auf alle Marktteilnehmer verteilt wird. Dem kann durch eine hinreichende, nicht nur kurzfristige Kapitalisierung des Fonds entgegen gewirkt werden, die bei einer Verringerung der Risiken durch ein Ausscheiden solcher Markteilnehmer etwa zurückgezahlt werden mag.

Artikel 2: Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Neufassung des § 651r BGB

  • In § 651r BGB wird der Begriff Reiseveranstalter verwendet. Aus unserer Sicht muss hier der Begriff Reiseanbieter verwendet werden.

Wir hoffen, mit unserer Stellungnahme zur Neuregelung der Insolvenzsicherung durch einen  Reisesicherungsfonds einen konstruktiven Beitrag zur Diskussion zu leisten und stehen Ihnen jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung.

Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen

Michael Buller

Vorstand

Verband Internet Reisevertrieb e.V. (VIR)

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